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Rosenmontag frei trotz Corona?

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Ein Beitrag von Dr. Andrea Bonanni und Franziska Fehlberg | Die Corona-Pandemie beschäftigt noch immer die Welt und somit auch Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend gemeinsam „Arbeitnehmer“ genannt) in den deutschen Karnevalshochburgen. Die pandemiebedingten Beschränkungen werden auch die deutschen Jecken treffen: Karnevalsumzüge werden nicht möglich sein und auch Karnevalspartys und -sitzungen sind – jedenfalls mit Blick auf die derzeitigen Beschränkungen und in der derzeitigen Situation – nur schwer vorstellbar. Die Kontaktbeschränkungen führen auch zu erheblichen Einschränkungen privater Feiern.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat es für die Dienststellen des Landes bereits entschieden: „Rosenmontag 2021 – Kein Dienstfrei für Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen“ (Pressemitteilung der Landesregierung vom 12.01.2021). Und auch viele private Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer in den Vorjahren an Rosenmontag von ihrer Arbeitspflicht freigestellt wurden, stehen vor der Frage, ob sie – gerade in Zeiten von Kurzarbeit, Auftragswegfall und sonstigen wirtschaftlichen Belastungen – ihren Arbeitnehmern dieses Jahr die Arbeitsbefreiung wegen „Ausfalls“ der typischen karnevalistischen Veranstaltungen und Umzüge versagen können.

Ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung an Rosenmontag besteht nicht per se. Es handelt sich nicht um einen gesetzlichen Feiertag. Auch aus der Einordnung als regionaler Brauchtumstag, an dem in gewissen Regionen üblicherweise nicht gearbeitet wird, ergibt sich kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung.

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Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es auch in den Karnevalshochburgen schon lange Unternehmen gibt, die ihren Arbeitnehmern schon mit Blick auf Arbeitnehmer an anderen Standorten keine Arbeitsbefreiung an Rosenmontag gewähren.

Als Anspruchsgrundlage für die Arbeitsbefreiung an Rosenmontag kommt neben einer arbeitsvertraglichen Regelung, der Vereinbarung in einer Betriebsvereinbarung, in einem Tarifvertrag oder einer Gesamtzusage insbesondere ein Anspruch aus betrieblicher Übung in Betracht. Ein solcher Anspruch würde nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, kurz gesagt, bestehen, wenn die Arbeitsbefreiung an Rosenmontag in der Vergangenheit mehrfach und ohne Vorbehalt gewährt worden wäre und auch sonstige arbeitsvertragliche Regelungen – insbesondere eine den Anforderungen der Rechtsprechung genügende doppelte Schriftformklausel – nicht das Entstehen einer solchen Übung verhindern.

Man kann sich aber die Frage stellen, ob eine solche betriebliche Übung im Jahr 2021 gar nicht zu einem Anspruch führen kann, weil Grund für die Arbeitsbefreiung in den vorangegangenen Jahren war, den Arbeitnehmern die Teilnahme an den Veranstaltungen des sogenannten Straßenkarnevals zu ermöglichen bzw. die Arbeitsplätze wegen dieser Veranstaltungen für die Arbeitnehmer nicht oder nur schwer zu erreichen waren.

Dem Brauch, dessen Begehung der Rosenmontag dient, kann aber in diesem Jahr angesichts der Corona-Pandemie nicht bzw. jedenfalls nicht in der bekannten und in der die bisherige Arbeitsbefreiung aus Sicht der Arbeitgeber begründenden Weise nachgegangen werden.

Tatsächlich begründen könnte dies die Ablehnung eines Anspruch aus betrieblicher Übung aber wohl nur dann, wenn die Arbeitsbefreiung in der Vergangenheit ausdrücklich unter einen entsprechenden Vorbehalt gestellt wurde. Dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein, auch wenn der Gedanke sicherlich der Arbeitsbefreiung zugrunde lag. Zudem können die Arbeitnehmer karnevalistischen Aktivitäten auch im Rahmen ihres privaten Umfelds oder Haushaltes nachkommen. Der große Kölner Karnevalszug etwa soll an Rosenmontag in Form eines Puppenspiels stattfinden und ggf. auch live im TV übertragen werden. Auch in der Vergangenheit war die Teilnahme an einer der Großveranstaltungen wohl in den meisten Fällen keine Voraussetzung für die individuelle Arbeitsbefreiung.

Im Jahr 1991 sind aufgrund des Golfkrieges schon einmal zahlreiche Karnevalsumzüge ausgefallen. In diesem Zusammenhang hatte sich das LAG Düsseldorf mit der Frage der betrieblichen Übung gerichtet auf eine Arbeitsbefreiung an Rosenmontag beschäftigt und Folgendes festgestellt: „Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit regelmäßig ohne weitere Vorgaben für Rosenmontag von der Arbeitspflicht freigestellt wurden, haben aufgrund betrieblicher Übung auch dann einen Freistellungsanspruch für Rosenmontag, wenn an diesem Tag der übliche Karnevalsumzug ausfällt.“ (Leitsatz des Beschlusses vom 8.2.1991 – 7 Ta 50/91).

Soweit Arbeitgeber dieses Jahr gleichwohl einmalig eine Abkehr von der bisherigen betrieblichen Übung planen, ist zu beachten, dass bei Bestehen eines Betriebsrats dieser ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG haben dürfte. Soweit die betriebsübliche Praxis bisher war, an Rosenmontag nicht zu arbeiten und in diesem Jahr lediglich ausnahmsweise gearbeitet werden soll, handelt es sich um eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne der vorstehenden Regelung.

Wichtig ist aber, nicht vorschnell einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Arbeitsbefreiung an Rosenmontag zu bejahen oder zu verneinen, sondern vertragliche Regelungen und den Inhalt einer etwaigen betrieblichen Übung genau zu prüfen, um ggf. bestehende Vorbehalte und Formzwänge zu identifizieren.

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 14.1.2021 um 16:04 | Permalink

    Zu der Entscheidung aus der Karnevalshochburg Düsseldorf möchte ich einen etwas „karnevalsmuffligeren“ Leitsatz einer Entscheidung des LAG Köln v. 8.11.1991 – 13 (6) Sa 532/91 = LAGE § 242 BGB Betriebliche Ãœbung Nr. 10 ergänzen:

    Selbst wenn man die Entstehung einer betrieblichen Übung annimmt, so sind Inhalt und Reichweite der (schlüssigen) Zusage zu ermitteln. Die Ermittlung ergibt eine Zusage, die explizit lautet:

    „Die Dienstbefreiung wird erteilt, um den Arbeitnehmern die Teilnahme an den Umzügen zu ermöglichen und gilt folgerichtig nicht für Tage, an denen ein Umzug überhaupt nicht stattfindet, wenn

    – die Dienstbefreiung stets nur an den Tagen der Karnevalsumzüge erfolgt ist;

    – dem Arbeitgeber als Motiv für die Dienstbefreiung der Wille zur Pflege des heimatlichen Brauchtums sowie andere an die Durchführung des Umzugs geknüpfte Motive unterstellt werden können (z.B. Verzicht auf die Durchführung eines ohnehin nicht ordnungsgemäß möglichen Dienstbetriebes, Rücksichtnahme auf umzugsbedingte chaotische Verkehrsverhältnisse).“

    LAG Köln v. 8. 11. 1991 13 (6) Sa 532/91

    Allerdings hatte sich das LAG Köln mit der Frage einer betrieblichen Übung im Ergebnis deshalb nicht entscheidungsrelevant zu befassen, weil es sich um einen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst gehandelt hatte, bei dem also die betriebliche Übung von vorneherein als Anspruchsgrundlage ausschied.

    Die vom LAG Köln im zweiten Spiegelstrich herangezogenen Kriterien können aber bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen, die zu „Karneval“ freie Tage gewähren, herangezogen werden.

    Karneval sind laut Wikipedia „die Bräuche, mit denen die Zeit vor der vierzigtägigen Fastenzeit ausgelassen gefeiert wird.“. Dabei gibt es „insbesondere am Rosenmontag entsprechende Umzüge, wobei sich Rosen nicht auf die Blume, sondern auf das Verb rasen bezog.“

    Und zu Weiberfastnacht in Köln: „Am Donnerstag vor Aschermittwoch, dem Tag der Weiberfastnacht, wird um 11.11 Uhr ebenfalls auf dem Alter Markt der Straßenkarneval eröffnet. Von diesem Zeitpunkt an feiern die Jecken in den Kneipen und auf der Straße …“.

    Beides werden wir 2021 nicht haben. Ich bin in diesem Jahr daher zurückhaltender mit der Annahme eines Anspruchs aus betrieblicher Übung.

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