Otto Schmidt Verlag

ArbRB-Blog

Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Corona-Pandemie im neuen Jahr

avatar  Thomas Niklas / Thomas Köllmann

Die Corona-Pandemie hat Deutschland und die Welt weiter fest im Griff. Und schon jetzt ist absehbar, dass der aktuelle Lockdown über den 10. Januar 2021 hinaus verlängert wird. Für die Arbeitswelt bedeutet dies, dass die Themen im neuen Jahr vielfach die alten sind, nämlich: Wie bewältige ich die Krise und die damit einhergehenden Probleme? Nachfolgend haben wir einige der aus unserer Sicht praxisrelevantesten Themen und deren (arbeitsrechtlichen) Auswirkungen zusammengefasst (eine umfassende Aufstellung der zu erwartenden oder bereits feststehenden Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht im neuen Jahr findet sich unter http://www.arbrb.de/news.html).

  1. Kurzarbeit (was gilt in 2021)?

Zur weiteren Stabilisierung des Arbeitsmarktes verabschiedete der Gesetzgeber das Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz), und zwar gemeinsam mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung sowie der Zweiten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld. Danach werden die Sonderregelungen für die Kurzarbeit im Wesentlichen verlängert. Für die Praxis bedeutet dies im Einzelnen Folgendes:

  • Die Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (auf 70/77 % ab dem vierten Monat und 80/87 % ab dem siebten Monat) wird bis zum 31. Dezember 2021 für alle Beschäftigten verlängert, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist.
  • Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen werden insoweit bis 31. Dezember 2021 verlängert, als dass das Entgelt aus einer während der Kurzarbeit aufgenommenen geringfügig entlohnten Beschäftigung anrechnungsfrei bleibt. Die weitergehenden Regelungen zur beschränkten Hinzuverdienstmöglichkeit über eine geringfügig entlohnte Beschäftigung hinaus wurden demgegenüber nicht verlängert.
  • Zudem wird der Anreiz, Zeiten des Arbeitsausfalls für berufliche Weiterbildung zu nutzen, dadurch weiter gestärkt, dass die für diese Fälle geregelte hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr daran geknüpft wird, dass die Qualifizierung mindestens 50 % der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss.
  • Die Zugangserleichterungen (Mindesterfordernisse, negative Arbeitszeitsalden) werden bis zum 31. Dezember 2021 für Betriebe verlängert, die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.
  • Die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer wird bis zum 31. Dezember 2021 für Verleihbetriebe verlängert, die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.
  • Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit wird bis 30. Juni 2021 verlängert. Vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge zu 50 % erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis 30. Juni 2021 begonnen wurde.
  • Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wird für Betriebe, die mit der Kurzarbeit bis zum 31. Dezember 2020 (!) begonnen haben, auf bis zu 24 Monate verlängert, längstens bis zum 31. Dezember 2021.

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  1. Entschädigung bei Kita- und Schulschließungen

In der Arbeitswelt als sehr problematisch erwiesen haben sich die Auswirkungen der regelmäßig kurzfristigen Schließungen von Betreuungseinrichtungen sowie der Anordnung von Quarantänemaßnahmen gegenüber zu betreuenden Personen. Denn zum einen sind die Urlaubsansprüche der betreuenden Beschäftigten endlich, zum anderen hilft ein Verweis auf § 616 BGB – so er nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen ist – zumeist nicht weiter, da sich der Vergütungsanspruch nach dieser Vorschrift auf eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ beschränkt und somit bei einer zweiwöchigen Schließung oder Quarantäne nicht anwendbar ist. Ausgehend hiervon verabschiedete der Gesetzgeber rückwirkend zum 16. Dezember 2020 eine Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes. Danach haben Eltern nach § 56 Abs. 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Einrichtungen zur Betreuung von Kindern und Menschen mit Behinderung sowie Schulen vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten aufgrund einer Quarantäne untersagt wird. Die Regelung soll (zunächst) bis zum 31. März 2021 gelten. Die Entschädigung beträgt 67 % des Nettoeinkommens und wird für bis zu zehn Wochen, im Fall von alleinerziehenden Personen für bis zu 20 Wochen, gewährt. Die Zahlung ist dabei auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro begrenzt.

Für Arbeitgeber gilt es zu beachten, dass sie die Entschädigung anstelle der Behörde für die ersten sechs Wochen auszubezahlen haben und sodann einen Erstattungsanspruch entsteht, der gegenüber der zuständigen Behörde innerhalb von zwölf Monaten geltend zu machen ist, § 56 Abs. 11 IfSG. Letztendlich trägt damit der Arbeitgeber das Risiko einer (unterlassenen) Erstattung durch die Behörde, weshalb er sich jedenfalls die Schließung der jeweiligen Betreuungseinrichtung sowie fehlende anderweitige Betreuungsmöglichkeiten schriftlich bestätigen lassen sollte. Weiterführende Informationen und Formulare sind hier abrufbar: https://ifsg-online.de/index.html.

  1. Keine Entschädigung bei vermeidbarer Reise in ein Risikogebiet

Erfreulicherweise stellte der Gesetzgeber nunmehr in § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG klar, dass Beschäftigte, die sich nach der Rückkehr von einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet in Quarantäne begeben müssen, keinen Anspruch auf Entschädigung haben. Insofern sind allerdings stets die jeweils geltenden Einreiseverordnungen der Länger zu beachten. So hat etwa das Land Nordrhein-Westfalen die Quarantänepflichten nach der Rückreise aus einem Risikogebiet – mit Ausnahme von Großbritannien und Südafrika – nicht unerheblich gelockert (vgl. Coronaeinreiseverordnung vom 20. Dezember 2020).

  1. Steuerliche Absetzbarkeit von Homeoffice-Tagen

Das häusliche Arbeitszimmer konnte bislang nur unter engen Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Da indes viele Beschäftigte während der Pandemie von zu Hause arbeiten, beschloss der Gesetzgeber eine Ergänzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, wonach Steuerpflichtige für jeden Kalendertag der Jahre 2020 und 2021, an dem sie ausschließlich zu Hause arbeiten, einen Betrag von fünf Euro als Werbungskosten geltend machen können (vgl. BT-Drs. 19/25160, S. 207). Dies ist auf 120 Tage pro Jahr und damit auf maximal 600 Euro gedeckelt. Der entsprechende Betrag wird bei der Steuerberechnung vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen, wodurch sich die Steuerlast reduziert.

Zu beachten ist jedoch, dass diese Homeoffice-Pauschale – wie die Pendlerpauschale – zu den Werbungskosten zählt, für die allen Steuerzahlern ohnehin pauschal ein Betrag in Höhe von 1.000 Euro angerechnet wird. Nur dann, wenn die Werbungskosten einschließlich der Homeoffice-Pauschale den vorgenannten Betrag übersteigen, macht sich die Neuregelung somit bemerkbar.

  1. Impfung als Teil des Arbeitsschutzes

Aktuell verstärkt im Fokus der öffentlichen Diskussion steht die Frage nach der Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus am Arbeitsplatz. Dies auch deshalb, weil die Durchführung von (freiwilligen) Impfungen durchaus Teil der arbeitsmedizinischen Vorsorge sein können (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 ArbMedVV). Im Fokus der Debatte steht jedoch vor allem die Frage nach einer Impfpflicht und den damit einhergehenden arbeitsrechtlichen Fragen.

a) Impfpflicht am Arbeitsplatz?

Verbindliche Vorgaben zu Impfungen sind dem deutschen Recht nicht fremd: Zuletzt legte der Gesetzgeber etwa durch das Masernschutzgesetz fest, dass bestimmte Personengruppen verpflichtet sind, über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern zu verfügen (§ 20 Abs. 8 IfSG). Ein durchsetzbarer Impfzwang geht damit zwar nicht einher, allerdings dürfen Personen ohne Impfung bzw. einen entsprechenden Immunitätsnachweis nicht beschäftigt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) Das BVerfG bestätigte in einem Eilverfahren die Verfassungsmäßigkeit der Regelung (BVerfG v. 11.05.2020 – 1 BvR 469/20). Weiterhin erlaubt § 20 Abs. 6 IfSG es dem Bundesministerium für Gesundheit, eine Rechtsverordnung mit einer Impfpflicht zu erlassen, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.

Diese gesetzlichen Vorgaben dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Durchführung einer Impfung einen schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet. Aus diesem Grund ist eine durchsetzbare rechtliche Verpflichtung auf Durchführung einer Impfung im Arbeitsverhältnis weder kraft Direktionsrechts noch auf arbeitsvertraglicher Basis oder auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Tarifvertrags möglich.

b) Arbeitsrechtliche Sanktionen und Bevorzugung geimpfter Beschäftigter

Der Arbeitgeber wird indes typischerweise ein großes Interesse an der Durchführung solcher Impfungen haben. Mit Blick auf den Arbeitsschutz stellt sich – gerade im Gesundheitssektor und in Gemeinschaftseinrichtungen – die Frage, ob der Arbeitgeber nicht geimpfte Beschäftigte trotz Infektionsrisiken wie bisher weiterbeschäftigen darf. Verneint man dies, stellt sich die Folgefrage, ob dann ein Wegfall der Eignung des Beschäftigten vorliegt, der eine Versetzung bzw. eine personenbedingte Kündigung rechtfertigt. Letzteres wird man indes nur dann annehmen können, wenn ähnlich wie im Rahmen der Masernimpfung (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) ein tatsächliches oder faktisches Beschäftigungsverbot besteht, der Beschäftigte die Vorlage entsprechender Nachweise nachhaltig verweigert und keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht kommen.

Denkbar erscheint es, dass Arbeitgeber gegenüber geimpften Beschäftigten eine bevorzugte Behandlung vorsehen, etwa bezüglich Geschäftsreisen, der Nutzung bestimmter Gemeinschaftseinrichtungen, des Tragens von Schutzausrüstung oder der Rückkehr auf den Arbeitsplatz im Unternehmen. Ebenfalls bereits diskutiert werden sogenannte „Impfprämien“ als Anreiz für die Durchführung der Impfung. Nach der aktuellen Rechtslage wird man solche Maßnahmen – zumindest in Teilbereichen – als zulässig erachten können. Allerdings wird nunmehr in der Politik ein gesetzliches Verbot von Sonderrechten für Menschen mit Corona-Impfung im AGG oder den §§ 307 ff. BGB erwogen. Bezüglich solcher generellen Verbote sollte die Politik indes mit dem erforderlichen Augenmaß agieren und berücksichtigen, dass im Arbeitsverhältnis auch weitere (arbeitsschutzrechtliche) Aspekte eine Rolle spielen.

c) Datenschutzrechtliche Erlaubnis

Darf der Arbeitgeber überhaupt nachfragen, ob eine entsprechende Impfung durchgeführt wurde? Dies hängt wiederum davon ab, ob die Kenntnis vom Impfstatus für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwingend erforderlich ist oder ob der Schutz der Beschäftigten und sonstigen Personen auch anderweitig sichergestellt werden kann (vgl. § 9 Abs. 2 lit. b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 1, 3 BDSG). Auch wenn bislang ungeklärt ist, in welchem Umfang die Impfung ansteckungsmindernd wirkt, wird man in besonders sensiblen Bereichen eine Erfassung des Impfstatus im Einzelfall jedenfalls zum Schutz der Beschäftigten als zulässig ansehen können. Hinzuweisen ist auf die Vorschrift des § 23a IfSG, der für die Erfassung des Impfstatus in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitswesens eine Sonderregelung vorsieht. Der Gesetzgeber hat jedoch klargestellt, dass auch über § 23a IfSG hinaus in anderen Bereichen eine Abfrage des Impfstatus nach den allgemeinen gesetzlichen Vorgaben zulässig sein kann (BT-Drs. 18/10938, S. 21). Bei der Verarbeitung dieser Gesundheitsdaten müssen natürlich die allgemeinen datenschutzrechtlichen Prinzipien (Art. 5 DSGVO) sowie die Betroffenenrechte der Art. 12 ff. DSGVO beachtet werden.

  1. Sonderregelungen für Betriebsratsarbeit

Erfreulicherweise bis zum 30. Juni 2021 verlängert wurden die Sonderregelungen des § 129 BetrVG für die Betriebsratsarbeit. Danach können Sitzungen der Arbeitnehmervertretungen einschließlich Beschlussfassungen auch weiter mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Gleiches gilt für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss. Wie das LAG Berlin-Brandenburg zutreffend festgestellt hat, tritt die Nutzung dieser Möglichkeiten aber „nur“ als zusätzliche Option neben die hergebrachte Durchführung von Sitzungen unter physischer Anwesenheit der Teilnehmer vor Ort. Ein grundsätzlicher Vorrang der Durchführung als Telefon- oder Videokonferenz kann aus der Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 24. August 2020 – 12 TaBVGa 1015/20, ArbRB 2020, 373 [Range-Ditz]). Allerdings wird man in Einzelfällen eine Verpflichtung hierzu annehmen müssen, sofern a) die Möglichkeit besteht, die für die Sitzung angesetzten Tagesordnungspunkte im Rahmen einer solchen Konferenz durchzuführen und b) anderenfalls ein unkalkulierbares Risiko für Infektionen bestünde – etwa weil die Sitzung nicht unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen durchgeführt werden kann. Führt der Betriebsrat in solch einem Fall gleichwohl eine Sitzung unter physischer Anwesenheit durch, zu der ggf. sogar noch Dritte eingeladen werden (etwa seitens der Gewerkschaft), und führt dies zu Infektionen unter den Beteiligten, wird man Schadensersatzansprüche nicht ausschließen können.

Ob § 129 BetrVG durch die geplante Neuregelung im Betriebsrätestärkungsgesetz (vgl. hierzu Niklas, BMAS legt Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes vor – Der Wahlkampf hat begonnen!) abgelöst wird, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es jedenfalls, dass den Betriebsparteien künftig (dauerhaft) beide Optionen zur Verfügung stehen.

RA FAArbR Thomas Niklas / RA Thomas Köllmann

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