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ArbRB-Blog

Wichtige praxisrelevante Änderungen zu Entschädigungsregelungen im Infektionsschutzgesetz

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Am 18.11.2020 ist das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. 2020 I S. 2397). Es handelt sich um ein Artikelgesetz. Art. 1 und Art. 2 beinhalten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Für die Beratungspraxis sind insbesondere folgende neue Regelungen von Bedeutung:

Änderungen beim Entschädigungsanspruch einer betreuenden Person
Nach der bisher geltenden Rechtslage erhält eine erwerbstätige Person nach § 56 Abs. 1a Satz 1 IfSG eine Entschädigung in Geld, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen von Menschen mit Behinderung von der zuständige Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten aufgrund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten untersagt wird und die erwerbstätige Person ihr Kind, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann und die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet.

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Insbesondere die Untersagung des Betretens von Betreuungseinrichtungen für Kinder aufgrund einer vom Wortlaut der bisherigen Regelung nicht erfassten „Absonderung“ (d.h. Quarantäne) einzelner Kinder hatte dazu geführt, dass viele erwerbstätige Personen einen Verdienstausfall erlitten, da sie wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten für diese Kinder ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können. Nun wird in dieser Vorschrift ausdrücklich geregelt, dass ein Untersagen des Betretens der entsprechenden Einrichtungen auch dann vorliegt, wenn eine „Absonderung“ nach § 30 IfSG oder aufgrund einer Rechtsordnung nach § 32 IfSG gegen einzelne Kinder in der Einrichtung vorliegt. Danach erhält nun eine erwerbstätige Person, die ein in Quarantäne befindliches Kind betreut, eine Entschädigung in Höhe von 67 % des Verdienstausfalls.

Verlängerung der Entschädigungsregelung
Die Entschädigungsregelung des § 56 Absatz 1a IfSG wird bis zum ein 31.3.2021 verlängert. Gesetzestechnisch ist dies kompliziert geregelt. Art. 2 enthält weitere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Nummer 2 dieser Änderungen sieht unter a) vor, dass § 56 Abs. 1a IfSG aufgehoben wird. Dieser Art. 2 tritt nach Art. 8 Abs. 2 aber erst zum 1.4.2021 in Kraft, so dass sich im Umkehrschluss die genannte Verlängerung der Entschädigungsregelung errechnet.

Antragsfrist
Geregelt wurde aufgrund des Außerkrafttretens der Entschädigungsregelung zum 31.3.2021 die Antragsfrist. Es musste der falsche Eindruck vermieden werden, dass mit Entfall dieser Entschädigungsregelung keine Anträge mehr gestellt werden können, die Erstattungsansprüche betreffen, die vor dem 31.3. 2021 entstanden sind. § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG sieht deshalb nun vor, dass entsprechende Anträge nach § 56 Abs. 5 IfSG innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der „Absonderung“ bei der zuständigen Behörde zu stellen sind.

Ausschluss des Entschädigungsanspruchs bei Reisen in Risikogebiete
Personen, die aus privaten Gründen wieder nach Nordrhein-Westfalen einreisen, nachdem sie sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 10 Tage vor der Wiedereinreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sind nach § 1 Abs. 1 CoronaEinreiseVO nicht nur verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in ihre Wohnung oder in eine andere, eine Absonderung ermöglichende Unterkunft zu begeben; sie haben sich dort auch für einen Zeitraum von 10 Tagen nach ihrer Einreise ständig aufzuhalten. Sie haben sich damit selber in Quarantäne zu begeben. Die anderen Bundesländer haben entsprechende Regelungen.

Umstritten war bisher, ob dieser Personengruppe nach § 56 Abs. 1 IfSG eine Entschädigung zusteht, die vom Arbeitgeber nach § 56 Abs. 5 IfSG vorzufinanzieren ist, wenn Beschäftigte infolge der Quarantäne einen Verdienstausfall erleiden.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG erhalten Personen eine solche Entschädigung nun unter anderem dann nicht, wenn sie durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet die Quarantäne hätten vermeiden können. Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ist eine Reise vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. Ein Risikogebiet ist nach § 2 Nr. 17 IfSG ein Gebiet außerhalb der Bundesrepublik, für das vom Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt wurde. Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt erst mit Ablauf des ersten Tages nach Veröffentlichung der Feststellung durch das Robert Koch Institut im Internet. Die in dieser Vorschrift angegebene Internetadresse ist allerdings nicht mehr zutreffend. Die Risikogebiete finden sich nun unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html.

Von dieser Quarantänepflicht sieht § 2 Abs. 3 Nr. 7 CoronaEinreiseVO zwar Ausnahmen vor. Diese setzen aber eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der betroffenen nationalen Regierung vor Ort im Hinblick auf besondere epidemiologische Vorkehrungen voraus. Derartige Vereinbarungen bestehen derzeit nicht.

Regelung des Rechtswegs
Für Streitigkeiten über Anspruche auf Entschädigung nach § 56 IfSG gegen das zur Zahlung verpflichtete Land ist nach § 68 Abs. 1 IfSG nun der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Bei Ablehnung der beantragten Zahlung durch den Arbeitgeber, der für das Land hinsichtlich der Entschädigung nach § 56 Abs. 5 IfSG in Vorleistung getreten ist, muss deshalb zunächst innerhalb eines Monats nach Zugang des entsprechenden Bescheids das Widerspruchsverfahren gemäß § 70 VwGO durchgeführt werden. Ist dieses Verfahren erfolglos, muss der betroffene Arbeitgeber Verpflichtungsklage gemäß §§ 42,113 VwGO erheben. Im Gegensatz zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gilt im verwaltungsrechtlichen Verfahren das Amtsermittlungsprinzip.

Besonderheiten gelten bei der Rechtsvertretung. Die am Rechtsstreit Beteiligten können nach § 67 VwGO vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Nach § 67 Abs. 2 VwGO können sie sich auch von vertretungsbefugten Bevollmächtigten vertreten lassen. Vor dem Verwaltungsgericht sind nach § 67 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern (Arbeitgeberverbände) sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder vertretungsberechtigt. Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, zwingend durch Prozessbevollmächtigte nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vertreten lassen. Vor dem Verwaltungsgericht sind auch die in § 67 Abs. 2 Nr. 5 VwGO genannten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen. Dies gilt zwar nur eingeschränkt. Möglich ist dies aber für Zahlungsklagen, die in § 56 Abs. 5 IfSG ihre Grundlage haben. Nach § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO besteht die genannte Vertretungsmöglichkeit in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 ArbGG stehen. Bei den Bevollmächtigten muss es sich allerdings nach § 67 Abs. 4 Satz 6 VwGO um Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Prof. Dr. Wolfgang Kleinebrink

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