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ArbRB-Blog

Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Beschlüsse des Corona-Gipfels vom 16.02.2022

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Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder haben am 16.02.2022 Vereinbarungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie sowie zur Lockerung der Infektionsschutzmaßnahmen gefasst, die erhebliche arbeitsrechtliche Auswirkungen haben. Im letzten Schritt des Maßnahmenkatalogs sollen ab dem 20.03.2022 alle tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen entfallen. Arbeitgeber können – und müssen – sich jetzt schon darauf einstellen.

Wegfall der verpflichtenden Home-Office-Regelungen

Ausdrücklich erwähnt der Beschluss, dass ab dem 20.03.2022 die nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtenden Home-Office-Regelungen entfallen sollen. Dies betrifft die bisherige Regelung des § 28b Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Beschäftigte haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.

Dies hat aber nicht zur Folge, dass es zukünftig zugunsten der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Home-Office mehr geben wird. Im Koalitionsvertrag ist bereits eine vergleichbare Regelung enthalten. Dort heißt es wörtlich:

„Home-Office grenzen wir als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung ab. Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen. Dies erfordert Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Zur gesunden Gestaltung des Home-Office erarbeiten wir im Dialog mit allen Beteiligten fachgerechte und flexible Lösungen. Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen.“ (Rz. 2243 des Koalitionsvertrages)

Ferner ist ausdrücklich vorgesehen:

„Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Home-Office. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. D.h., dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein darf. Für abweichende tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen muss Raum bleiben.“ (Rz. 2249-2253 des Koalitionsvertrages).

Entsprechende gesetzliche Regelungen werden allerdings noch einige Zeit brauchen. Das Gesetzgebungsverfahren ist – soweit ersichtlich – bisher nicht angelaufen. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie sich auf das Auslaufen des verpflichtenden Angebots auf Home-Office mit Ablauf des 19.03.2022 einstellen müssen. Leicht fällt ihnen dies, wenn sie die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, bis zum 19.03.2022 befristet hatten. Hierzu bestand Anlass, da § 28b Abs. 7 IfSG den Ablauf des 19.03.2022 als Enddatum bereits nannte.

Sollte keine derartige Befristung erfolgt sein, muss geprüft werden, ob sich der Arbeitgeber einen Widerruf der Tätigkeit im Home-Office vorbehalten hat, wobei höchstrichterlich – soweit ersichtlich – noch nicht erklärt ist, welche Voraussetzungen an eine derartige Klausel im Zusammenhang mit dem Home-Office gestellt werden müssen. Geprüft werden sollte auch, ob sich der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts ausdrücklich die Möglichkeit offengehalten hat, den Arbeitnehmer an den betrieblichen Arbeitsplatz zurückzuholen. Insoweit ist dann aber zu prüfen, inwieweit eine derartige Klausel den Vorgaben der Rechtsprechung entspricht (vgl. LAG Düsseldorf v. 10.09.2014 – 12 Sa 505/14).

Gleichzeitig muss überlegt werden, ob Arbeitnehmern ohne den „gesetzlichen Zwang“ Home-Office weiter angeboten werden soll. Ist dies der Fall, sollten allerdings auch insoweit schriftliche Vereinbarungen getroffen werden, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Home-Office-Arbeit wieder zu beenden, sofern dies notwendig ist. Zu denken ist insoweit insbesondere an Befristungsregelungen, spezielle Direktionsklauseln und Widerrufsrechte.

Wegfall weiterer Schutzmaßnahmen

Der Beschluss des Corona-Gipfels spricht nur allgemein davon, dass auch alle sonstigen tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen ab dem 20.03.2022 entfallen sollen.
Für die Praxis ist insoweit wichtig, dass auch ohne diesen Beschluss die Arbeitgeber belastende Regelungen mit Ablauf des 19.03.2022 entfallen würden.
Dies sind insbesondere

  • die drei G-Regelungen für das Betreten von Arbeitsstätten nach § 28b Abs. 1 IfSG („Betretungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt“),
  • die besonderen Zugangsvoraussetzungen für Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher in besonderen Einrichtungen und Unternehmen nach § 28b Abs. 2 IfSG,
  • die entsprechenden Kontroll- und Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nach § 28b Abs. 3 IfSG sowie
  • die entsprechenden Nachweispflichten der Beschäftigten bzw. Besucher nach § 28b Abs. 3 Satz 2 IfSG (hierzu ausführlich Kleinebrink, DB 2022, 392) nach § 28b Abs. 7 IfSG laufen auch bereits kraft Gesetzes mit Ablauf des 19.03.2022 aus.

Es bleibt abzuwarten, ob und gegebenenfalls welche Regelungen der Gesetzgeber insoweit schafft. Vorgesehen ist allerdings bereits nach dem Beschluss des Corona-Gipfels, dass bei der vorzunehmenden Überarbeitung der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung die Festlegung zum Geimpften-Status und zum Genesenen-Status wieder unmittelbar in dieser Verordnung erfolgen. Bisher sah die entsprechende Verordnung einen Verweis auf die Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts vor, was in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten geführt und Fragen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens aufgeworfen hat (vgl. hierzu Kleinebrink, DB 2022, 392).

Nicht übersehen werden darf auch, dass die Arbeitsschutzverordnung nach deren § 7 ebenfalls mit Ablauf des 19.03.2022 automatisch außer Kraft tritt. In ihr ist z. B. in § 4 Abs. 1 geregelt, dass der Arbeitgeber Beschäftigten – soweit diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten – mindestens zwei Mal pro Kalenderwoche kostenfrei eine Testung anzubieten hat. Außerdem muss nach § 2 dieser Verordnung eine Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzgesetzes überprüft und aktualisiert werden. Auf der Grundlage einer solchen Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber ferner in einem Hygienekonzept die erforderlichen Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen.

Bereits überarbeitet wird derzeit die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (ausf. zu den arbeitsschutzrechtlichen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie, Kleinebrink, ArbRB 2020, 377).

Es bleibt abzuwarten, welche gesetzgeberischen Maßnahmen nun auf den Weg gebracht werden. Zu wünschen ist, dass möglichst viele Belastungen, die bisher für Arbeitgeber in den genannten Gesetzen vorhanden waren, entfallen.

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