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Entgeltfortzahlung für Eltern bei kurzeitigem Ausschluss des Kindes aus Schule und Kinderbetreuung wegen Corona-Verdacht

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Werden Kinder vom Schulbetrieb nach den von den Ländern vorgegebenen Regularien wegen Corona-Verdacht ausgeschlossen, müssen Eltern die Betreuung der Kinder selbst übernehmen. Welche Konsequenzen hat das für den Vergütungsanspruch:

1. Die Pflicht zur Arbeitsleistung entfällt, wenn die Eltern das Kind betreuen müssen. Dies folgt aus § 275 Abs. 3 BGB: Im Rahmen des der Leistung entgegenstehenden Hindernisses (Kinderbetreuung) kann den Eltern die Erbringung der Arbeitsleistung nicht zugemutet werden. Anders wäre dies nur, wenn die Eltern über einen Home-Office-Arbeitsplatz verfügen und von dort die Arbeitsleistung erbringen könnten. Das geht nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber (zuletzt ArbG Augsburg v. 7.5.2020 – 3 Ga 9/20).

2. Damit entfällt im Ausgangspunkt der Vergütungsanspruch. Anderes kann sich nur aus § 616 BGB ergeben. Nach verbreiteter Auffassung ist diese Norm in Pandemiesituationen nicht anwendbar (so Grimm, DB 2020, 1177, 1179 ; vehement a.A. Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140 m.w.N.).

Wendet man § 616 BGB an, dürfte es sich bei 48 Stunden noch um eine „kurzzeitige Verhinderung“ handeln, da der Zeitraum von 5 Tagen Verhinderung als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit anzusehen ist (zum Nachweis der Literaturstimmen: Grimm, DB 2020, 1177, 1180 bei Fn. 43).

Anspruchsvoraussetzung ist, dass die Pflege durch den berufstätigen Elternteil erforderlich ist, was nicht der Fall ist, wenn der im Haushalt lebende Ehepartner oder Lebensgefährte nicht berufstätig ist und die Betreuung übernehmen kann (Grimm, DB 2020, 1177, 1180). Bei zwei berufstätigen Eltern, besteht der Anspruch nur einmal: Die Eltern haben ein Wahlrecht, wer von ihnen die Betreuung übernimmt.

Und: § 616 BGB darf nicht wirksam abbedungen sein.

3. Will man § 616 BGB nicht anwenden, kann eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1a IfSG erwogen werden. § 56 Abs. 1a IfSG gibt erwerbstätigen Sorgeberechtigten einen Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall, wenn Schulen oder Kindertagesstätten von der zuständigen Behörde geschlossen sind und die Eltern die Kinder selbst betreuen, also keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht. Das greift nicht dem Wortlaut nach, ist aber vielleicht übersehen worden, was die Analogie zur Lückenschließung rechtfertigen würde. Vielleicht konkretisiert der Gesetzgeber die Norm auch bei einer der nächsten Überarbeitungen des IfSG.

 

 

 

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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