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ArbRB-Blog

Ab wann sind Arbeitnehmer nach einer Kündigung zur Auskunftserteilung über andere Erwerbsmöglichkeiten verpflichtet?

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Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 (ArbRB 2020, 265 [Windeln]) einem Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge zugesprochen. Dieser Auskunftsanspruch dient zur Vorbereitung der Einwendung gemäß § 11 Nr. 2 KSchG, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe. Diese Entscheidung ist begrüßenswert, da der Arbeitgeber ansonsten keinerlei Informationen zu dieser Frage besitzt und hierfür auch darlegungs- und beweisbelastet ist. Ein solcher Auskunftsanspruch war zuletzt durch das Hessische Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.05.2018 – 10 Sa 1628/17 verneint worden. Nunmehr stellt sich aber die Frage der praktischen Umsetzung dieser Entscheidung.

Lochner empfiehlt in einem Beitrag auf LTO (https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bag-5-azr-387-19-kuendigung-annahmeverzug-unterlassen-anderweitige-beschaeftigung/), dass Arbeitgeber zukünftig Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zur Auskunft über einen anderweitigen Erwerb sowie erfolgte Vermittlungsversuche auffordern sollten. Sofern die Arbeitnehmer dieser Aufforderung nachkommen, könne dies bei der Festlegung der Strategie des Prozesses oder bei außergerichtlichen Verhandlungen berücksichtigt werden. Andernfalls könne ein erfolgloses Auskunftsbegehren als Begründung für die prozessuale Geltendmachung eines Auskunftsanspruches genutzt werden.

Vor einem Obsiegen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses wird ein solcher Auskunftsanspruch nur dann bestehen, wenn – was möglich ist – der Verzugslohn bereits eingeklagt wird. Ansonsten wird man davon ausgehen müssen, dass ein Auskunftsanspruch in diesem Zeitpunkt noch nicht besteht, weil Verzugslohnansprüche noch nicht geltend gemacht wurden und überhaupt nicht feststeht, ob solche bestehen können.

Betrachtet man allerdings die Dauer mancher Kündigungsschutzverfahren, so ist es wahrscheinlich, dass normale Arbeitnehmer eine Vielzahl von Vermittlungsvorschlägen seitens der Agentur erhalten (und wahrscheinlich entsorgen). Wenn die Arbeitnehmer dann später ausführen, dass ihnen die entsprechenden Vermittlungsvorschläge nicht mehr vorliegen bzw. erinnerlich sind, so wird sich die Frage nach den prozessualen Auswirkungen stellen. Deshalb erscheint es sinnvoll, – wie auch von Lochner vorgeschlagen – den Arbeitnehmer zur Auskunft aufzufordern. Darüber hinaus mag erwogen werden, im Rahmen der Erwiderung auf die Kündigungsschutzklage in einem Textbaustein darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer aufgefordert wird, bei ihm eingehende Vermittlungsvorschläge aufzubewahren, so dass er einer eventuellen Verpflichtung zur Auskunftserteilung nachkommen kann. Vertreter von Arbeitnehmern sollten diesen nunmehr – nachweislich – die Information über eine möglicherweise später bestehende Auskunftspflicht erteilen.

Dr. Stefan Sasse

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse ist Partner bei Göhmann Rechtsanwälte, Magdeburg. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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