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Generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz durch Corona-Schutzverordnung NRW

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Zum 1.12.2020 traten zahlreiche neue Regelungen zu Corona-Schutzmaßnahmen auf Länderebene in Kraft. Hierbei hat das Land Nordrhein-Westfalen eine generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz (mit Ausnahmen) begründet. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen jedoch stets um Landesrecht. Einige Länder sehen mit im Detail abweichenden Regelungen ebenfalls eine generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz vor, so etwa Baden-Württemberg und Bayern (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 BayIfSMV). Andere Länder haben diese Maßnahmen noch nicht eingeführt. Das für den jeweiligen Betrieb geltende Recht ist daher stets sorgsam anhand der jeweiligen Landesregelung zu ermitteln.

Bislang galt in NRW diese Regelung gemäß § 1 Abs. 4 Corona-Schutzverordnung NRW:

„Betriebe, Unternehmen, Behörden und andere Arbeitgeber haben die Regelungen dieser Verordnung zu beachten, soweit ein Kontakt zwischen Beschäftigten und Kundinnen, Kunden oder ihnen vergleichbaren Personen besteht. Ansonsten richten sich die Vorgaben für die Arbeitswelt nach den Anforderungen des Arbeitsschutzes und weiteren einschlägigen Rechtsvorschriften. Das jeweils aktuelle Infektionsgeschehen ist dabei zu berücksichtigen. Insbesondere sollten nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und mit Kunden möglichst vermieden werden (zum Beispiel durch die Nutzung besonderer Schutzeinrichtungen und der Heimarbeit), allgemeine Hygienemaßnahmen umgesetzt und die Infektionsrisiken bei erforderlichen Kontakten durch besondere Hygiene- und Schutzmaßnahmen minimiert werden“

In der ab 1.12.2020 geltenden Fassung wird diese Regelung ergänzt:

„Betriebe, Unternehmen, Behörden und andere Arbeitgeber haben die Regelungen dieser Verordnung zu beachten, soweit ein Kontakt zwischen Beschäftigten und Kundinnen, Kunden oder ihnen vergleichbaren Personen besteht. Unabhängig von solchem Kontakt ist in geschlossenen Räumen eine Alltagsmaske nach § 3 Absatz 1 zu tragen; dies gilt vorbehaltlich weitergehender arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben, betrieblicher Infektionsschutzkonzepte oder konkreter behördlicher Anordnungen nicht am Arbeitsplatz, sofern ein Abstand von 1,5 Metern zu weiteren Personen sicher eingehalten werden kann. Im Übrigen richten sich die Vorgaben für die Arbeitswelt nach den Anforderungen des Arbeitsschutzes und weiteren einschlägigen Rechtsvorschriften. Das jeweils aktuelle Infektionsgeschehen ist dabei zu berücksichtigen. Insbesondere sollten nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und mit Kunden möglichst vermieden werden (zum Beispieldurch die Nutzung besonderer Schutzeinrichtungen und der Heimarbeit), allgemeine Hygienemaßnahmen umgesetzt und die Infektionsrisiken bei erforderlichen Kontakten durch besondere Hygiene-und Schutzmaßnahmen minimiert werden.“

Die Regelung geht auch über die bisherigen Empfehlungen des Bundesarbeitsministeriums zum Arbeitsschutz vor Corona hinaus.

Für die betriebliche Umsetzung der Maskenpflicht ist eine Orientierung an folgenden Leitlinien möglich:

  1. Die sprachlich nicht sonderlich gelungene Regelung erstreckt die allgemeine Regelungen zum Tragen einer Alltagsmaske in geschlossenen Räumen gemäß § 3 Corona-VO NRW grundsätzlich auch auf den Arbeitsplatz. Das gilt auch dann, wenn in den Räumen kein Kontakt mit betriebsexternen Personen (z.B. Kunden) besteht. Damit besteht grundsätzlich auch an gewerblichen Arbeitsplätzen und Büroarbeitsplätzen ohne Kundenkontakt Maskenpflicht.
  2. Die Pflicht besteht dann nicht, wenn am Arbeitsplatz ein Abstand von 1,5 m zu weiteren Personen (dazu gehören auch Betriebsangehörige) sicher eingehalten werden kann. Wenn die Arbeitsplätze also so ausgestaltet sind, dass der erforderliche Abstand eingehalten ist, muss am Arbeitsplatz selbst keine Maske getragen werden. Diese Ausnahme findet nur dann keine Anwendung, wenn aufgrund allgemeiner Regelungen, wie sie bisher schon gehalten (etwa aufgrund einer behördlichen Anweisung oder dem konkreten betrieblichen Infektionsschutzkonzept), eine Maskenpflicht schon bestand.
  3. Eine weitere mögliche Ausnahme ist etwas versteckter in § 3 Abs. 5 geregelt:

„Die Verpflichtung nach Absatz 2 kann für Inhaber und Inhaberinnen sowie Beschäftigte durch gleich wirksame Schutzmaßnahmen (Abtrennung durch Glas, Plexiglas o.ä.) oder das Tragen eines das Gesicht vollständig bedeckenden Visiers ersetzt werden.“

Nach dieser Regelung kann die Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske dadurch vermieden werden, dass Arbeitsplätze, zwischen denen kein Abstand von mindestens 1,5 m besteht, durch eine Abtrennung, beispielsweise eine Plexiglasscheibe, getrennt werden.

Da diese Sonderregelung allerdings nur auf die allgemeine Pflicht in § 3 Abs. 2 Corona-VO NRW Bezug nimmt und nicht auf die Regelung in § 1 Abs. 4 S. 2 Corona-VO NRW, ist nicht sicher, ob er Arbeitgeber den fehlenden Abstand zwischen den Arbeitnehmern durch Vorrichtungen wie Plexiglasscheiben ersetzen kann. Dies wäre aus dem Zweck der Regelung begründbar; zumal viel dafür spricht, dass lediglich ein Redaktionsversehen vorliegt: die Maskenpflicht am Arbeitsplatz wurde systemwidrig in § 1 Abs. 4 eingeordnet statt, wie dies nach der Systematik der Regelung erforderlich gewesen wäre, in § 3 Abs. 2, und die entsprechende Verweisung nicht angepasst. Dieses Verständnis würde sich auch mit den Vorgaben in den oben genannten Arbeitsschutzstandards decken.

Solange hier eine mögliche Konkretisierung und Klarstellung noch nicht erfolgt, sollten Investitionen in Abtrennungen noch zurückgestellt werden.

  1. Zur Umsetzung sollten überprüft werden, ob, gegebenenfalls auch durch weitergehende Maßnahmen, wie die (teilweise) Nutzung von Home-Office der notwendige Abstand zwischen den Arbeitnehmern oder hergestellt werden kann. Wenn der Abstand sicher eingehalten werden kann, muss am Arbeitsplatz selbst keine Maske getragen werden. Für den übrigen Betrieb ist gesetzlich eine Maskenpflicht, wenn der Mindestabstand gesichert ist, nicht vorgegeben; eine freiwillige Maskenpflicht im Betrieb außerhalb des eigentlichen Arbeitsplatzes ist aber sinnvoll.
  2. Es empfiehlt sich hier, die Regeln für den Arbeitsplatz im Sinne eines Hygienekonzepts nach den oben genannten Arbeitsschutzstandards zusammenzufassen (oder diese im Sinne der neuen Verordnung zu ergänzen) und für die Arbeitnehmer klare Regelungen zur Wahrung des Mindestabstandes sowie zur Maskenpflicht aufzustellen.
  3. Die Maskenpflicht muss der Arbeitgeber auch durchsetzen, gegebenenfalls durch Abmahnungen; im Wiederholungsfalle sind auch Kündigungen möglich.
  4. Nicht geregelt in der Verordnung ist, wer die Kosten für die Anschaffung der erforderlichen Alltagsmaske trägt. Grundsätzlich sollte dies bei einem mittlerweile allgemein benötigten und von jedem vorgehaltenen Hilfsmittel kein Problem sein; eine Verpflichtung des Arbeitgebers, für den Arbeitsplatz die Masken zur Verfügung zu stellen, ließe sich juristisch allerdings begründen. Eskaliert werden sollte dieser Streit mit einem Arbeitnehmer nicht. Auf Verlangen sollten daher den Anforderungen der Verordnung genügende Masken zur Verfügung gestellt werden. Das gilt auch, wenn die vom Arbeitnehmer mitgebrachte Maske untauglich ist.
  5. Eine Bußgeldpflicht bei Verstößen gilt nicht, da § 18 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung nur einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 sanktioniert, nicht jedoch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 4 S. 2. Diese Ausnahme ist schwer nachvollziehbar und wiederum Folge der systematisch falschen Stellung der Regelung in § 1 Abs. 4. Dennoch sollten Arbeitgeber die Maskenpflicht ernst nehmen. Bei Verstößen aufgrund mangelnder Durchsetzung der Maskenpflicht kann im Einzelfall auch ein Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers (oder von dessen Erben) in Betracht kommen, der im Todesfalle oder bei schweren Verstößen erhebliche Höhe erreichen kann. Zwar wird es für den Arbeitnehmer nur sehr schwer möglich sein, eine konkrete Ansteckung im Betrieb nachzuweisen, das Risiko sollte dennoch vermieden werden.
  6. Die unmittelbare Umsetzung der Maskenpflicht, wie sie in der Verordnung geregelt ist, ist nicht gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmt, da insoweit eine gesetzliche Regelung besteht. Weitergehende und konkretisierende Regelungen – etwa eine generelle Maskenpflicht im Betrieb, wenn sich der Arbeitnehmer nicht am direkten Arbeitsplatz aufhält – oder „gleich wirksame Schutzmaßnahmen“ können jedoch als Verhaltensregelungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. als Regelung des betrieblichen Arbeitsschutzes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durch den Betriebsrat mitbestimmt sein. Die Mitbestimmungsrechte werden hier, da es auf die jeweiligen betrieblichen Verhältnisse ankommt, stets beim Einzelbetriebsrat liegen; der Gesamt-oder Konzernbetriebsrat sind nicht originär zuständig, können aber durch den Einzelbetriebsrat beauftragt werden.

RA FAArbR Dr. Martin Brock und RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, LOSCHELDER, Köln

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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