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Nach dem EuGH-Urteil vom 14.5.2019 zurück zur Stechuhr?

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Sprecher der Arbeitgeberverbände haben das Urteil des EuGH vom 14.5.2019 mit Recht kritisiert. Es ist vor allem dogmatisch bedenklich. Die Bedenken der Arbeitgeber liegen indes auf einer anderen Ebene: „Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert“, heißt es in einer Stellungnahme. „Auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 kann man nicht mit einer Arbeitszeiterfassung 1.0 reagieren.“

Konsequenzen können sich aus dem Urteil des EuGH nicht nur für betriebsratslose Betriebe ergeben. In Betrieben mit Betriebsrat galt aufgrund der Rechtsprechung des BAG ohnehin bereits Folgendes: Der Betriebsrat konnte und kann zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 I Nr. 1 BetrVG vom Arbeitgeber Auskunft über Beginn und Ende der täglichen und über den Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer verlangen. Da der Arbeitgeber seinen Betrieb so zu organisieren hat, dass er die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten kann, muss er sich über die genannten Daten in Kenntnis setzen und kann dem Betriebsrat die Auskunft hierüber nicht mit der Begründung verweigern, er wolle die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer wegen einer im Betrieb eingeführten „Vertrauensarbeitszeit” bewusst nicht erfassen (BAG vom 6.5.2003 – 1 ABR 13/02, ArbRB 2003, 364 [Mues]). Das BAG hat darüber hinaus entschieden, dass der Betriebsrat sowie eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft vom Arbeitgeber verlangen können, dass er durch aktives Tun die Überschreitung eines Gleitzeitrahmens durch Arbeitnehmer verhindert, wenn eine im Betrieb geltende Betriebsvereinbarung einen täglichen Gleitzeitrahmen zwingend vorgibt. Dazu genügt es nicht, dass der Arbeitgeber die außerhalb des Gleitzeitrahmens geleisteten Arbeiten nicht vergütet (BAG vom 29.4.2004 – 1 ABR 30/02, ArbRB 2004, 236 [Mues]).

Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG ist der Betriebsrat nicht berechtigt, nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Einführung einer technischen Überwachungseinrichtung zu verlangen, da sein Mitbestimmungsrecht allein dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren einer technischen Überwachung diene (BAG vom 28.11.1989 – 1 ABR 97/88; ebenso HWK/Clemenz, § 87 BetrVG Rn. 33; Legerlotz, ArbRB 2019, 121; für das BPersVG BVerwG vom 29.9.2004 – 6 P 4/04). Dasselbe galt für die vom Arbeitgeber initiierte Abschaffung einer technischen Einrichtung in seinem Betrieb. Dies könnte sich aufgrund der Entscheidung des EuGH jedoch ändern.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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