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Art. 15 DSGVO im Arbeitsverhältnis, die 2.?

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Trotz des erheblichen Echos auf die Entscheidung des LAG Baden-Württembergs vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 fehlt es bislang weitestgehend an offiziellen inhaltlichen Stellungnahmen der Datenschutzbehörden zu Art 15 DSGVO im Arbeitsverhältnis. Eine Ausnahme macht insoweit der 24. Datenschutzbericht der LDI NRW, der am 23.05.2019 vorgestellt wurde und hier abrufbar ist.

Zum Fall:

In einer dort auf S. 61 beschriebenen Fallgestaltung hatte ein Arbeitnehmer (konkret: ein Fahrer) seinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht. Hintergrund war eine Fahrgastbeschwerde. Den Beförderungsvertrag mit dem Fahrgast schloss allerdings der Auftraggeber des Arbeitgebers ab. Bei ihm war daher auch das Beschwerdemanagement angesiedelt. Bei Weiterleitung einer Beschwerde hatte der Auftraggeber dem Arbeitgeber den Namen des Beschwerdeführers jedoch nicht genannt. Diesen wollte der Arbeitnehmer nun von seinem Arbeitgeber erfahren und berief sich auf Art. 15 DSGVO.

Den Arbeitnehmer insoweit allein auf Art.15 DSGVO gegenüber dem Auftraggeber zu verweisen, sah die LDI als unzulässig an. Vielmehr sah sie den Arbeitgeber aufgrund Art. 15 DSGVO in der Pflicht, dem Mitarbeiter diese Information zu verschaffen. Andererseits stand der Weitergabe der Daten des Beschwerdeführers durch den Auftraggeber an den Arbeitgeber aus Sicht der LDI entgegen, dass der Arbeitgeber „Dritter“ war. Das Beschwerdesystem enthielt dafür keine Legitimation, insbesondere keinen Abwägungsprozess bereit. Erst nach entsprechenden Anpassungen im Sinne des Art. 6 (1) S. 1 (f) DSGVO sei dies sodann gewährleistet worden.

Zu Art. 6  (1) S. 1 (f) DSGVO bei einer Geltendmachung von  Art. 15 DSGVO im Arbeitsverhältnis:

Auch für eine Bewertung der eingangs erwähnten Entscheidung des LAG BW lässt sich die Wertung des Art. 6 (1) S.1 (f) DSGVO nach meiner Einschätzung nutzbar machen. Zumindest dann, wenn man den Tenor der Entscheidung des LAG BW – wie angesichts des Tatbestands bislang überwiegend der Fall – als umfassende Auskunftsverpflichtung bis hin zu (ggf.  geschwärzten) Einzeldokumenten versteht.

Denn bereits bei der damit vorab verbundenen allumfassenden Sichtung (und ggf. Bewertung/Schwärzung) betrieblicher Kommunikation im Nachgang zu einer pauschalen Geltendmachung von Art. 15 DSGVO im Arbeitsverhältnis käme es typischerweise auch zu einer umfangreichen (erneuten) Verarbeitung von personenbezogenen Daten aller anderen an der Kommunikation mit dem Anspruchsteller beteiligten Arbeitnehmer.

Diese allein durch Antrag nach Art. 15 DSGVO veranlasste zusätzliche Verarbeitung wäre daher zum einen an Art. 5 (1) (c) DSGVO („Grundsatz der Datenminimierung“) zu messen. Zum anderen dürfte der Anspruchsteller gegenüber diesen Mitarbeitern regelmäßig „Dritter“ im Sinne des Art. 6 (1) S. 1 (f) DSGVO sein. Art. 6 (1) S. 1 (f)) DSGVO bedarf – wie vom LDI hier nochmals aufgezeigt – stets einer konkreten Interessenabwägung. Für diese fehlt jedoch ein Bezugspunkt, wenn der Anspruch nach Art. 15 DSGVO nur pauschal geltend gemacht wird.

Auch Art. 6 (1) S.1 (b) („Erfüllung eines Vertrags“) und (c) („Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung“) DSGVO oder „eigene berechtigten Interessen“ gemäß Art. 6 (1) S. 1 (f) DSGVO dürften dem Verantwortlichen ohne irgendeine weitere Konkretisierung des Anspruchs durch den Anspruchsteller nach meiner Einschätzung nicht pauschal als „Ersatzlegitimation“ zur Verfügung stehen. Denn die im Arbeitsverhältnis regelmäßig vorliegende Drittbetroffenheit bei der Umsetzung des Auskunftsanspruchs ist für die „one size fits all“ Lösung des Art. 15 DSGVO in anderen Konstellationen außerhalb des Arbeitsrechts keinesfalls typisch. Sie ergibt sich daher auch nicht stets per se aus Art. 15 DSGVO.

Mögliche Folge für die Praxis:

Erst wenn – wie vorliegend mit der Kundenbeschwerde – ein konkreter Anlass gegeben ist, ist eine solche Abwägung überhaupt möglich. Diese dürfte – im Hinblick auf die anderen Mitarbeiter – dann in der Regel auch zugunsten des Anspruchsstellers ausfallen. Darauf sollte die konkrete Auskunft – so gestellt – dann jedoch auch zu beschränken sein. Fehlt es an einem solchen konkreten Anlass, spricht im Arbeitsverhältnis aufgrund der typischerweise zu erwartenden zusätzlichen Drittbetroffenheit auch im Hinblick auf Art. 1 (2) DSGVO aus meiner Sicht mehr dafür, zunächst lediglich  eine generelle Auskunft (übliche Datenverarbeitungsprozesse, Stammdaten) ohne die Detailtiefe des Inhalts einzelner Dokumente erteilen zu müssen. (Siehe dazu auch: ArbRB 2019, 150 [Heft 5/19])

Diese Beschränkung müsste sich dann jedoch – anders als bei der Entscheidung des LAG BW – auch im Antrag wie auch im Tenor der Entscheidung wiederspiegeln. Ansonsten besteht die Gefahr, dass rechtlich eigentlich notwendige Abwägungen aus dem arbeitsgerichtlichen Erkenntnisverfahrens systemwidrig in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

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