Otto Schmidt Verlag

ArbRB-Blog

Gehaltsansprüche im Lichte der Corona-Pandemie am Beispiel von Profisportlern

avatar  Philipp S. Fischinger

Die Corona-Pandemie und die durch sie ausgelösten staatlichen Maßnahmen traf und trifft auch den (Profi-)Sport hart. Während der Profifußball nach aktuellem Stand den Spielbetrieb – wenn auch nur unter weitestgehendem Ausschluss der Zuschauer (sog. Geisterspiele) – im Wesentlichen fortführen kann, musste in anderen Sportarten der Spielbetrieb im ersten Halbjahr ganz abgebrochen oder zumindest verkürzt werden bzw. wurde im zweiten Halbjahr erst gar nicht wieder gestartet.

Weil die Spielergehälter oft die relativ größten Ausgabeposten der Vereine sind, ist die Frage nach dem Schicksal dieser Gehaltsansprüche bei Saisonabbruch, -verkürzung, -unterbrechung und während eines Geisterspielbetriebs von besonderer Dringlichkeit (dazu I.). Überdies stellt sich für die Zukunft zentral die Frage danach, ob die Vereine durch eine vorausschauende Vertragsgestaltung die Gewichte zu ihren Gunsten verschieben können (dazu II.).

1. Ausgangslage

Wie im allgemeinen Arbeitsleben auch, so wirft COVID-19 auch im Profisport die Frage auf, ob der Arbeitgeber bei einer pandemiebedingten behördlichen Betriebsschließung zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Das ist richtigerweise über §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB zu bejahen, wenn der behördliche Lockdown nicht zu einer vollständigen Ausgangssperre führt. Denn solange die Arbeitnehmer in der Lage sind, den Betrieb zu erreichen, liegen die Voraussetzungen dieser Normen unschwer vor.[1]

Profimannschaftssportler haben deshalb selbst bei einem Saisonabbruch oder einer Saisonunterbrechung zumindest Anspruch auf Fortzahlung des vereinbarten (monatlichen) Grundlohns; erst recht gilt das im Ergebnis bei laufendem Spielbetrieb mit Geisterspielen, wobei der Anspruch hier aus § 611a II BGB folgt. Dagegen wird man wegen einer konkludenten Abbedingung von § 615 BGB einen Anspruch auf punktuelle Prämien (z.B. Torprämie, Einsatzprämie) abzulehnen haben, solange keine Wettkämpfe stattfinden (anders bei einem Geisterspielbetrieb, hier folgt der Anspruch aus § 611a II BGB).[2]

Die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Vereine, die Gehaltsverbindlichkeiten in einer bereits eingetretenen Krisensituation zu reduzieren, sind überschaubar:

  • Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zwar nicht per se ausgeschlossen, unterliegt aber sehr hohen Hürden. In Betracht kommt sie nur, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die sonst notwendige Stilllegung des Betriebs oder deutliche Reduzierung der Belegschaft zu verhindern.[3]
  • Ob die Lohnzahlung nach § 615 BGB verweigert werden kann – was im vorliegenden Kontext ohnehin nur bei Saisonabbruch/-unterbrechung, nicht aber bei einem Geisterspielbetrieb helfen würde –, weil ansonsten die Existenzvernichtung des Arbeitgebers drohte, ist unklar. Denn das BAG hat das in der Vergangenheit zwar für theoretisch möglich erklärt, seine Voraussetzungen aber nie als erfüllt angesehen – und es überdies zuletzt im Jahr 1994 (!) angesprochen.[4]
  • Der Widerruf von Lohnbestandteilen dürfte im Profisport aktuell weitestgehend ausscheiden, weil die Aufnahme von Widerrufsvorbehalten in die Verträge nicht Usus war.
  • Gleiches gilt für die Einführung von Kurzarbeit, enthalten die Arbeitsverträge im Profisport doch bislang so gut wie nie Klauseln, die den Verein zur einseitigen Einführung berechtigen würden. Auch § 87 I Nr. 3 BetrVG hilft den Vereinen nicht weiter, fehlt es doch in aller Regel an für die Spieler zuständigen Betriebsräten.[5]
  • Was bleibt, ist die ad-hoc Vereinbarung von Kurzarbeit, eines (Teil-)Gehaltsverzichts oder zumindest einer teilweisen Stundung der Lohnansprüche. Das aber setzt jeweils das freiwillige Einverständnis des betroffenen Spielers voraus. Weil der Verein auf diese Zustimmung keinen Anspruch hat, ist er ganz vom „good will“ des Spielers abhängig. Immerhin scheint die weit überwiegende Mehrzahl der Spieler einsichtig und bereit gewesen zu sein, ihren Beitrag zu einer Ãœberbrückung der schwierigen Situation zu leisten. Eine Garantie, dass dies auch künftig der Fall sein wird, besteht allerdings naturgemäß nicht.

2. Gestaltungsmöglichkeiten?

Daher besteht aus Sicht der Vereine ein erhebliches Bedürfnis an einer klugen, vorausschauenden Vertragsgestaltung, die für potentielle künftige Krisen Vorsorge trifft. Allerdings ist bekanntlich gerade in Arbeitsverträgen nicht alles erlaubt, was (dem Arbeitgeber) gefällt.

So dürften Klauseln, die eine automatische Gehaltskürzung für den Fall einer pandemiebedingten Störung des Spielbetriebs vorsehen, unwirksam sein, weil sie das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko unzulässig auf den Spieler verlagern und die von der Rechtsprechung für Widerrufsvorbehalte aufgestellten Anforderungen umgehen. Nichts anderes dürfte für Absprachen, die für solche Konstellationen § 615 S. 1 BGB insgesamt abbedingen oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vorsehen, gelten.

Was also ist möglich? Zu denken ist zum einen an Widerrufsvorbehalte entsprechend den allgemein anerkannten Grundsätzen.[6] Allerdings dürfte es dabei nur möglich sein, Prämienansprüche unter Widerruf zu stellen, nicht aber Ansprüche auf den monatlichen Grundlohn. Ob bei den oft sehr gut verdienenden Profisportlern dabei die übliche 25 %-Grenze (also auf z.B. 30-35 %) nach oben verschoben werden kann, ist unklar, weil das letzte Mal, als das BAG dies für möglich erklärte, ca. 15 Jahre zurückliegt.[7] In Betracht kommen ferner Vergütungsmodelle, die ein festes Grundgehalt vorsehen und dem Spieler die Chance auf eine Zusatzvergütung einräumen, z.B. bei einer bestimmten Auslastung der Heimspiele oder bei Erreichung festgelegter Unternehmenskennzahlen (z.B. EBITDA).[8]

Beides erfordert allerdings ein Umdenken der „Macher“ im Sport, passt es doch gerade nicht zu den dort liebgewonnenen, wohlerprobten Vergütungsmodellen. Ob die erforderliche Bereitschaft dazu besteht, die eingefahrenen Wege zu verlassen, bleibt abzuwarten. Geschieht das nicht, werden die Vereine bei einer – hoffentlich niemals eintretenden – neuen Krisenlage aber in Schwierigkeiten geraten, wenn die Spieler dann nicht (wieder) mitspielen.

Veranstaltungshinweis: Die hier angesprochenen Fragen werden Gegenstand eines vom Unterzeichner mitveranstalteten Webinars „Gehaltsansprüche von Profisportlern im Lichte von COVID-19“ am 9.12.2020, 16:00-17:30 sein. Dieses wird sich rechtsvergleichend der Rechtslage in Österreich, Schweiz und Deutschland widmen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Die Teilnahme ist kostenlos. Die notwendige Registrierung ist möglich unter zoom.vinber.org

Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard)

 

[1] S. näher Fischinger/Hengstberger NZA 2020, 559; so i.E. auch Preis/Mazurek/Schmid NZA 2020, 1137 (1141 ff.); Müller/Becker COVuR 2020, 126 (129); Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017 (1019); a.A. Sagan/Brockfeld NJW 2020, 1112 (1116); Bonanni ArbRB 2020, 110 (115 f.).

[2] Siehe im Einzelnen Fischinger, SpuRt 2020, 158 (158 ff.); Fischinger/Reiter, in: Fischinger/Orth, COVID-19 und Sport, § 2 Rn. 90 ff. (erscheint demnächst).

[3] S. näher BAG 1.3.2007 – 2 AZR 580/05, NZA 2007, 1445 (1447); 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333 (336); 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, NZA 2013, 1409 (1411); ErfK/Oetker § 2 KSchG Rn. 60; Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, § 12, Rn. 14 ff. m.w.N. (erscheint demnächst)

[4] BAG 30.5.1963 – 5 AZR 282/62; 28.9.1972 – 2 AZR 506/71, AP Nr. 28 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; 9.3.1983 – 4 AZR 301/80; 13.6.1990 – 2 AZR 635/89; 23.6.1994 – 6 AZR 853/93; s. auch Fischinger/Hengstberger, NZA 2020, 559 (564).

[5] Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, § 15, Rn. 1, 69 ff. m.w.N. (erscheint demnächst).

[6] Staudinger/Richardi/Fischinger § 611a, Rn. 947 ff. m.w.N.

[7] BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 (467).

[8] Ausführliche Erörterungen der einzelnen Möglichkeiten samt Klauselvorschlägen finden sich bei Fischinger/Reiter, in: Fischinger/Orth, COVID-19 und Sport, § 2, Rn. 131 ff. (erscheint demnächst).

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.