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Corona: Dürfen Arbeitgeber Fieber messen?

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In meiner Beratungspraxis gibt es aktuell nur ein Thema: der Corona-Virus und seine Folgen für Arbeitgeber und ihre Beschäftigten (s. hierzu auch ausführlich Bonanni, ArbRB 2020, Heft 3 S1).Besonders interessant finde ich gerade diese Frage: Dürfen Unternehmen – besonders solche der Lebensmittelindustrie, die unbedingt am Laufen gehalten werden müssen – Fiebermessungen bei ihren Arbeitnehmern vor dem Betreten des Betriebs durchführen? In diesen Fällen wären ja Betriebsschließungen infolge eines infizierten Mitarbeiters besonders gravierend.

Meine vorsichtige Ersteinschätzung: Eine solche Maßnahme könnte zulässig sein, in Unternehmen mit Betriebsrat allerdings nur, wenn mit diesem ein Einvernehmen erzielt werden kann. Dazu folgende Erwägungen:

1. Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen. Insbesondere hat er auch eine Gefährdung für das Leben sowie für die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst zu vermeiden und die verbleibenden Gefährdungen so gering wie möglich zu halten. Eine Gefährdung bezeichnet bereits die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit. Eine Gefährdung besteht auch bei einer geringen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Damit wird die Durchführung von Maßnahmen deutlich nach vorne verlagert. (Kothe in Kollmer u.a., ArbSchG, 3. Aufl. § 4 Rz. 7 f.)

2. Im Zusammenhang mit Pandemien wird diskutiert, ob es arbeitsrechtlich zulässig und geboten ist, Zugangskontrollen durchzuführen. Derartige Massenuntersuchungen, welche unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht durchgeführt werden sollen und auch nicht hinsichtlich des Grundes der Fiebererkrankung differenzieren können, stellen eine schwerwiegende Maßnahme dar, welche nur im Ausnahmefall einer am Ort des Betriebs grassierenden mit einer hohen Infektionsrate verbunden Erkrankungswelle angemessen sein kann (vergleiche Schmidt/Novara, DB 2009, 1817, 1819; Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Handbuch betriebliche Pandemieplanung, 2. Aufl., 2010, S. 169). Letztendlich ist eine Abwägung zwischen dem Grundrecht des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers mit dem Schutz der weiteren zu schützenden Arbeitnehmer geboten. Angesichts der gegenwärtigen Ausnahmesituation lässt sich aber wohl vertreten, dass eine solche Maßnahme zulässig ist.

3. Bei der Maßnahme handelt es sich allerdings um die Erhebung von besonders sensiblen Gesundheitsdaten gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Deren Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Dies gilt nicht, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, damit der Verantwortliche die ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und seinen diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann. Bei der Fiebermessung dient die Erhebung der Daten der Abwehr von Gefährdungen für die Belegschaft. Sofern der Eingriff auf ein Minimum reduziert wird, mag dies datenschutzrechtlich noch zulässig sein. Arbeitnehmern mit Fieber sollte dann der Zutritt zum Betrieb verwehrt werden. Das genaue Datum (Temperatur) sollte nicht abgespeichert werden, insbesondere sind auch die negativ ausgefallenen Daten nicht weiter zu registrieren. Damit der Arbeitgeber seinen Schutzpflichten nachkommen kann, wird man ihn allerdings wohl für berechtigt halten müssen, die Namen derjenigen Personen zu registrieren, denen aufgrund des Ergebnisses der Zutritt zum Betrieb verweigert wurde.

4. Im Bereich des betrieblichen Gesundheitsschutzes besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Besteht ein Betriebsrat, müsste daher mit diesem eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden. Hierin müsste festgelegt werden, mithilfe welcher Methoden an welcher Stelle die entsprechenden Daten erhoben werden. Auch müsste festgelegt werden, welche Daten wie lange festgehalten werden und wem diese weitergereicht werden. Auch sollte geregelt werden, für wie lange der Zutritt verweigert wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Vieles für die Zulässigkeit solcher Eingangskontrollen zumindest in bestimmten Wirtschaftsbereichen spricht. Wie die Gerichte dies beurteilen, werden wir aber frühestens in ein paar Monaten wissen. Bis dahin geht es in erster Linie darum, mit Augenmaß und Vernunft praktikable Lösungen zu finden.

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse ist Partner bei Göhmann Rechtsanwälte, Magdeburg. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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