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Schwierige Schadensschätzung bei wettbewerbswidrigem Verhalten

avatar  Jens Tiedemann

Eine gerichtliche Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ist immer schwierig und stellt hohe Anforderungen an den Tatsachenvortrag der klagenden Partei.

Der Fall: Die Klägerin, ein großer Baukonzern, der sich mit dem Bau von Verkehrswegen befasst. Im April 2005 wurde über das Vermögen ihrer früheren Muttergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Geschäftsanteile der Klägerin wurden an einen anderen Baukonzern veräußert. Auch die Beklagte war am Erwerb der Klägerin interessiert gewesen. Sie gründete nach Scheitern der Verhandlungen eine eigene Gesellschaft für Verkehrswegebau und schloss mit Führungspersonal der Klägerin Arbeitsverträge. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang wurden Daten der Klägerin genutzt und gelöscht. Die Klägerin warf der Beklagten sodann vor, wettbewerbswidrig Mitarbeiter abgeworben zu haben und verlangte Schadensersatz für eingetretene Verluste in den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von etwa 46 Mio. Euro.

Sowohl das ArbG als auch das LAG haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin blieb erfolglos (siehe BAG, Urteil vom 26.09.2012 – 10 AZR 370/10, Pressemitteilung Nr. 68/2012). Die Beklagte habe sich zwar mit der Abwerbung der Arbeitnehmer wettbewerbswidrig verhalten. Es mangelte jedoch an greifbaren Anhaltspunkten, um den behaupteten Schaden schätzen zu können, zumal ein hinreichender Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den eingetretenen Verlusten nicht erkennbar geworden ist, womit auch die Kausalität nach der Adäquanztheorie zu hinterfragen ist. Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ãœberzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Die Entscheidung obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten und kann revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Für die Schätzung eines Schadens benötigt das Gericht greifbare Anhaltspunkte; eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens lässt § 287 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht zu. Eine Schätzung darf nicht vollkommen „in der Luft hängen“. Dies zeigt, welche Anforderungen an den Sachvortrag zu stellen sind. Vorliegend dürfte es für die Klägerin sehr misslich sein, dass sie bei einem ungewöhnlich hohem Streitwert (46 Mio. EUR) die Klage letztlich nicht schlüssig dargelegt hat, was zum einen hohe Verfahrenskosten bedingt. Zum anderen ist – angesichts der Unbegründetheit der Klage – materieller Rechtsverlust eingetreten, so dass sie auch nicht erneut klagen kann, da die rechtskräftige Klageabweisung entgegensteht.

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