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Grundrechte im Arbeitsverhältnis

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Grundrechte spielen im Arbeitsverhältnis oft und in ganz unterschiedlichen Konstellationen eine Rolle. Drei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts verdeutlichen dies sehr anschaulich.

Nach Ansicht des 7. Senats (Urt. v. 4.12.2013 – 7 AZR 457/12) kann sich die Deutsche Welle als öffentlich-rechtliche Auslandsrundfunkanstalt auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen und rechtfertigt (im konkreten Einzelfall) die programmgestaltende Tätigkeit eines Redakteurs die Befristung von dessen Arbeitsvertrag. Die Zusammensetzung des Rundfunk- und des Verwaltungsrats sind nach Ansicht des BAG hinreichende Gewähr für die Staatsferne der Deutschen Welle. Das Urteil des BVerfG zum ZDF (Urt. v. 25.3.2014 -1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11) lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Der 3. Senat des BAG hat in Bezug auf die Änderung einer Versorgungsregelung zu Lasten der Arbeitnehmer der Gewerkschaft ver.di entschieden, dass das vom Senat für Eingriffe in Anwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema auf Änderungen von Versorgungsregelungen nicht einschränkungslos anwendbar ist (Urt. v. 12.11.2013 – 3 AZR 510/12). Wenn Arbeitgeber ein steuerbefreiter Berufsverband in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins ist, der nicht am Markt zur Gewinnerzielung tätig ist, stehen ihm im Wesentlichen nur Beiträge der Mitglieder als Einkünfte zur Verfügung und genießt er darüber hinaus den verfassungsrechtlichen Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Der Arbeitgeber hat die Freiheit, seine koalitionspolitischen Aufgaben und die Form, die Art und Weise sowie die Intensität der Aufgabenerfüllung festzulegen. Dies führt dazu, dass es den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich untersagt ist, die Verwendung der arbeitgeberseitigen Einkünfte im Einzelnen zu überprüfen oder gar zu bewerten. Dies gilt es bei der Anwendung des dreistufigen Prüfungsschemas zu beachten. Wird lediglich in noch nicht erdiente, dienstzeitabhängige Zuwächse eingegriffen, reichen sachliche Gründe aus. Auf die Proportionalität des Eingriffs kommt es nicht an.

Der 6. Senat des BAG hat in einer bemerkenswerten Entscheidung (Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12) darauf aufmerksam gemacht, dass  die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff InsO den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das nach Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zulassen. Dem Arbeitnehmer wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Bestimmungen den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums bei kongruenten Deckungen hinreichend gewährleisten. Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt. Der 6. Senat hat daher erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

Neben dem Unionsrecht, das viele Bereiche des Arbeitsrechts prägt, ist im „Mehrebenensystem“ auch das Grundgesetz zu beachten.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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