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Taktisch und klug auftreten im Arbeitsgerichtsprozess – Sechs Tipps, die Berater und Mandanten unbedingt kennen sollten

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von RiArbG Michael H. Korinth

Jeder Arbeitsrichter kann wahrscheinlich ein Lied davon singen: Auch erfahrene Anwälte tappen gerne immer wieder in dieselben prozessualen Fallen, tragen nicht genug bzw. zu spät vor oder erscheinen ohne Mandant zur mündlichen Verhandlung, obwohl das Gericht dessen persönliches Erscheinen angeordnet hatte. Hinzu kommen gesetzliche Neuregelungen, wie etwa die neu geschaffene Gehörsrüge, die nicht alle Beteiligten auf dem Schirm haben.

Diese Neuerungen, Tipps und häufigen Fallen sind meine „Top 6“:

1. Welche rechtlichen Mittel habe ich, wenn mir das rechtliche Gehör nicht in ausreichendem Maße gewährt wurde?

Grundsätzlich kann im Rechtsmittelverfahren gerügt werden, dass in dem beendeten Rechtszug nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Die vom Gesetzgeber neu geschaffene Gehörsrüge (§ 78a ArbGG) ist subsidiärer Natur, ebenso wie die Verfassungsbeschwerde. Sie kann also nur Erfolg haben, wenn der Beschwerdeführer alle sonst zur Verfügung stehenden prozessualen Maßnahmen ausschöpft, um die Grundrechtsverletzung zu beseitigen (s. dazu die ausführliche Darstellung von Schwab (in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 7 zu § 78a). Von wesentlicher Bedeutung ist die Gehörsrüge also dann, wenn reguläre Rechtsmittel nicht möglich sind. Am besten ist es aber natürlich, wenn man bereits in der Instanz deutlich darauf hinwirkt, dass das Gericht an dem wesentlichen Vorbringen einfach nicht vorbeikommen kann.

2. Gibt es im Beschlussverfahren eigentlich eine Darlegungs- und Beweislast oder wird diese durch den Amtsermittlungsgrundsatz überlagert?

Die Beteiligten sind nach § 83 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zur Mitwirkung verpflichtet. Jedoch bleibt, wie von Weth richtig bemerkt wird, das Gericht „Herr der Sachverhaltsaufklärung“ (Weth in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 10 zu § 83). Die Grundsätze der objektiven Beweislast führen dazu, dass bei einem non liquet derjenige verliert, der die objektive Beweislast trägt. Die Einzelheiten sind sehr diffizil (s. dazu die detaillierte Darstellung von Weth (Weth in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 23 ff. zu § 83)

3. In der Kammerverhandlung merkt der Kollege, der den Arbeitgeber vertritt, dass er doch noch nicht alles vorgetragen hat und stellt keinen Antrag. Wie kann ich erreichen, dass trotzdem ein die Instanz beendendes Urteil ergeht?

Neben dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils kommt auch ein solcher auf Erlass eines Urteils nach Lage der Akten in Betracht (§§ 251a, 331a ZPO). Die Güteverhandlung stellt eine vorangegangene mündliche Verhandlung im Sinne dieser Vorschriften dar (s. mit ausführlicher Begründung Korinth in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Auflage 2022, Rn. 38 zu § 54 mit Darstellung des weiteren Prozederes). Dabei handelt es sich um ein kontradiktorisches Urteil, das nur mit der Berufung angegriffen werden kann. Die „Flucht in die Säumnis“ ist also schnell beendet.

4. Soll ich als Arbeitgebervertreter noch vor der Güteverhandlung einen Schriftsatz einreichen, in dem die Kündigungsgründe genannt werden?

Vorsicht! In der Regel ist das nicht sinnvoll. Allenfalls kommt ein in bündiger Kürze abgefasster Schriftsatz in Betracht, in dem auf einige wenige Dokumente Bezug genommen werden kann, die als Ablichtung beigefügt werden (etwa eine Eigenkündigung des Klägers, ein vorangegangener Aufhebungsvertrag o.ä.). Alles andere widerspräche Sinn und Zweck der Güteverhandlung und könnte sogar Vergleichsmöglichkeiten verschütten (s. ausführlich Korinth in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 6 zu § 54).

5. Mein Mandant will nicht zur mündlichen Verhandlung kommen, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. Wie soll ich mich verhalten?

Schlechtester Rat: Nichts schreiben und dem Gericht auf Nachfrage erklären, dass er eben nicht kommt, weil er einen wichtigen Termin hat. Das ist die sicherste Methode, das Gericht zu verärgern. Das persönliche Erscheinen der Parteien ist in vielen Fällen eine kardinale Voraussetzung für ein sachangemessenes Urteil. Zwar hat das Gericht wenig Zwangsmittel. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist an so hohe Voraussetzungen geknüpft, dass sie kaum je Bestand hat (s. ausführlich und mit sehr kritischer Würdigung Korinth in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 25 zu § 51). In der Sache können der nicht erschienen Partei jedoch große Nachteile entstehen, da u.U. wichtige Nachfragen des Gerichts nicht hinreichend beantwortet werden können. Die Erteilung einer besonderen Vollmacht i.S.v. § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten ist meist unzureichend.

Guter Rat: Wenn etwa der Geschäftsführer nichts zur Sache sagen kann, jemanden aus der Personalabteilung mitbringen. Wenn es nur um Rechtsfragen geht, die Aufhebung des persönlichen Erscheinens beantragen, evtl. verbunden mit dem Hinweis, dass der Geschäftsführer während der Verhandlung telefonisch erreichbar ist und ein Vergleich daher auch unwiderruflich abgeschlossen werden könnte.

6.  Muss der Arbeitnehmer beim Beschäftigungsanspruch während des Arbeitsverhältnisses einen besonderen Verfügungsgrund darlegen, also belegen, warum ihm die Beschäftigung so wichtig ist?

Die Frage wird unterschiedlich beantwortet. Völlig zu Recht vertritt Walker (Walker in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 149 zu § 62 m.w.N.) die Auffassung, dass sich ein Verfügungsgrund schon aus dem Zeitablauf ergibt. Mit jedem Tag der Nichtbeschäftigung verliert der Arbeitnehmer seinen grundrechtlich geschützten Beschäftigungsanspruch und es wäre widersprüchlich, beim Verfügungsanspruch ein überwiegendes Beschäftigungsinteresse zu bejahen und beim Verfügungsgrund zu verneinen.

Aber: Die Gegenmeinung ist in der Rechtsprechung weit verbreitet. Daher sollte man unbedingt Argumente dafür bringen, dass gerade dieser Arbeitnehmer unbedingt auf die Beschäftigung angewiesen ist. Mit ein bisschen Phantasie wird einem schon war einfallen. Zur generellen Systematik von Beschäftigungs- und Weiterbeschäftigungsanspruch ist auf die instruktiven Darlegungen von Walker (Walker in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, Rn. 140 ff. zu § 62 m. auf. w.N.) zu verweisen.

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