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ArbRB-Blog

Russischer Bürohund mit ausgeprägtem Territorialverhalten – Tierliebe versus Fürsorgeplicht des Arbeitgebers

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Der Hund Kaya darf nicht mehr ins Büro, das hat das LAG Düsseldorf gestern am 24.3.2014 (Az. 9 Sa 1207/13) auf die Berufung der Klägerin, die ihren dreibeinigen Hund nicht mehr in das Büro mitnehmen durfte, entschieden und das erstinstanzliche Urteil des ArbG Düsseldorf vom 4.9.2013 (Az. 8 Ca 7883/12) bestätigt.

Die Klägerin, persönliche Assistentin der Geschäftsführung einer Werbeagentur, hatte seit Ende 2009 ihren dreibeinigen, aus der Tierhilfe in Russland stammenden Hund Kaya mit Erlaubnis des damaligen Geschäftsführers in die Betriebsstätte der Beklagten, einer Werbeagentur, mitgebracht. Auch andere Mitarbeiter der Beklagten hatten ihre Hunde dorthin mitgebracht und dürfen dies weiterhin. Nachdem es Probleme mit der Integration des Hundes Kaya gegeben hatte, waren in verschiedenen Mitarbeitergesprächen zwischen den Parteien Ziele der Hundehaltung schon bald (im Jahr 2011) vereinbart worden. Dies beinhaltete u.a., dass das Vorzimmer zur Geschäftsführung sauber sein und der Hund sich der Umgebung anpassen musste, insbesondere sich sozial kompatibel mit den Mitarbeitern verhalten musste und nicht im Büro gefüttert werden durfte. Vereinbart worden war auch, dass ein Tiertrainer im Büro die Situation vor Ort analysiert und verbessert. Nachdem sich eine Mehrzahl der Mitarbeiter der Beklagten vom Hund Kaya bedroht gefühlt hatten und dieser ein ausgeprägtes „Revierverhalten“ gezeigt hatte, hatte die Beklagte Ende 2012 der Klägerin verboten, den Hund in die Agentur mitzubringen. Dies geschah, nachdem die Einschaltung eines Tiertrainers an dem aus Sicht der Beklagten gefährlichen sozialen und territorialen Verhalten des Hundes nichts geändert habe. Der Hund habe bis auf wenige Ausnahmen niemanden ins Büro der Klägerin gelassen, Unterlagen mussten teilweise unter der Tür in das Büro der Klägerin durchgeschoben oder direkt bei dem Geschäftsführer im Büro abgegeben werden, weil sich wegen des aggressiven Hundes niemand getraut hatte, das Büro zu betreten. Teilweise hatte der Hund in besonderem Maße intensiv gestunken.

Das Arbeitsgericht hatte nach einer mit vier Zeugen durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, dass von Kaya Störungen des Arbeitsablaufes ausgingen und sich Mitarbeiter der Beklagten durch zähnefletschendes Knurren so bedroht gefühlt hätten, dass sie teilweise den Büroflur verlassen hätten und ins Treppenhaus oder den Aufzug gelaufen seien. Dem Geschäftsführer war einmal der Weg zu einem  Meeting versperrt gewesen. Mitarbeiter hätten infolge des aus ihrer Sicht bedrohlichen Verhaltens die Büroräume verlassen, teilweise, obwohl diese Mitarbeiter selbst Hundehalter (englische Bulldogge!) seien. Die Klägerin habe auf entsprechende Kritik mit der Bemerkung reagiert „Es ist doch gut, dass der Hund sein Revier verteidigt“.

Das Arbeitsgericht und – wenn man die Pressemitteilung zugrunde legt – auch das LAG stellen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB gegenüber den (anderen) Mitarbeitern in den Mittelpunkt. Jede Partei des Arbeitsvertrages sei zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners verpflichtet (BAG, v. 12.2.2013 – 3 AZR 99/11, Rz. 39). Zu diesen Pflichten gehöre auch, Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Hieraus habe die Beklagte die Pflicht, allen anderen Mitarbeitern einen „angstfreien Arbeitsplatz“ zur Verfügung zu stellen. Das sei vorrangige Pflicht im Arbeitsverhältnis. Wenn Mitarbeiter sich durch den Hund bedroht fühlten, sei die Beklagte auch nicht in dem Maße verpflichtet, Arbeitsweisen zu ändern und Betriebsabläufe umzustellen, so dass die Mitarbeiter den Hund „umgehen“ könnten. Aus diesem Grunde habe die Beklagte ihr Direktionsrecht (§ 106 GewO) ordnungsgemäß ausgeübt. Es lägen sachliche Gründe für die Rücknahme der Gestaltung der Hundehaltung im Büro vor. Weil solche sachlichen Gründe vorgelegen hätten, habe auch – wie die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz ausführen ließ – kein Mobbing vorgelegen. Dafür seien auch sonst keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen.

Rechtlich hatte sich die Klägerin auch darauf gestützt, die Gestattung der Hundehaltung im Büro sei unwiderruflich gewesen. Dem folgen weder das Arbeitsgericht noch das LAG. Es sei – so das Arbeitsgericht – offensichtlich gewesen, dass man auf Vorkommnisse und Entwicklungen in Bezug auf die Gestaltung der Mitnahme eines Hundes im Büro hätte reagieren müssen. Viele Sachverhalte seien denkbar, in denen eine solche Zusage angepasst oder korrigiert werden müsse (Tierhaarallergien, neue, hundeängstliche Mitarbeiter, Gerüche und Verunreinigungen). Eine unwiderrufliche Zusage hätte daher ausdrücklich und unmissverständlich vereinbart werden müssen.

Schließlich mussten sich beide Gerichte mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auseinandersetzen. Die Agentur hatte sogar (erfolglos) einen Hundetrainer engagiert. Der weitere Vorschlag der Klägerin, die beklagte Werbeagentur müsse Kaya eine Art Schutzgitter oder Zwinger ins Büro bauen, war vom LAG Düsseldorf mit dem Hinweis des Vorsitzenden „Wäre das denn artgerechte Tierhaltung?“ abgelehnt worden. Ob eine solche Nebenpflicht ohnehin bestünde, erscheint mir mehr als zweifelhaft.

Aus meiner Sicht besteht die Schutzpflicht nicht nur im Hinblick darauf, keine Erfüllungshindernisse für andere Mitarbeiter zu bereiten, sondern auch konkret im Sinne des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der anderen Arbeitnehmer. Der Schutz der Gesundheit gehört zu den wichtigsten arbeitgeberseitigen Nebenpflichten, wie sie auch sonst im Arbeitsschutzgesetz, im Arbeitssicherheitsgesetz und § 618 Abs. 1 BGB konkretisiert sind (dazu ausführlich HWK-Thüsing, 5. Aufl. 2012, § 611 BGB, Rz. 252). Die Schutzpflicht umfasst denklogisch präventive Maßnahmen, wie sie hier getroffen worden waren.

Hätte im Unternehmen der Beklagten ein Betriebsrat bestanden, wäre das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, das Weisungen bzw. Verhaltensvorschriften bezüglich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Gegenstand hat, einschlägig gewesen. Die Rubrik „Hundeverbot“ lässt sich zwanglos neben „Alkoholverbot“ und „Rauchverbot“ (dazu HWK-Lembke, § 106 GewO, Rz. 46) einordnen. Auch das allgemeine Verbot, im Betrieb Radio zu hören, unterliegt der Mitbestimmung (BAG, 14.1.1986 – 1 ABR 75/83, dazu HWK-Clemenz, § 87 BetrVG, Rz. 63).

Auf der anderen Seite kann das Arbeitsverhalten mitbestimmungsfrei geregelt werden, wenn ein Rauchverbot erteilt wird, weil die Arbeitsleistung als solche durch das Rauchen beeinträchtigt wird (BAG, 19.1.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546). Hier ist die Arbeitsleistung der anderen Mitarbeiter unmittelbar beeinträchtigt gewesen, weil diese entweder das Vorzimmer des Geschäftsführers nicht nutzen konnten, Unterlagen unter der Türe zu diesem Geschäftszimmer durchgeschoben werden mussten, und Mitarbeiter (z.B. die Personalleiterin) in das Treppenhaus oder den Aufzug „flüchten“ mussten, um dem Hund auszuweichen. Denkbar wäre auch die Argumentation, es habe sich nicht um eine Kollektivmaßnahme (dazu HWK-Clemenz, § 87 BetrVG, Rz. 3 f.) gehandelt. Hier bleibt aber das Problem, dass die Abgrenzung zwischen Kollektiv- und Individualmaßnahmen einzelfallbezogen und unpräzise ist. Konkret ließe sich damit argumentieren, es habe auf eine besondere Situation reagiert werden müssen. Das stimmt auch, da in anderen Fällen in der Werbeagentur Hunde am Arbeitsplatz zugelassen waren und nur in Bezug auf den sein Territorium ausdehnenden und verteidigenden Hund Kaya reagiert worden war.

 

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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