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DER SPIEGEL führt uns bei der Überstundenabgeltung in die Irre

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Gestern hatte das BAG über eine ungeschickte Vergleichsformulierung zu entscheiden (Urteil v. 20.11.2019 – 5 AZR 578/18, PM 40/19). DER SPIEGEL, den ich sonst schätze, macht daraus: „Arbeitgeber muss auch bei Freistellung Überstunden vergüten“. Das ist falsch und verkürzt den Sachverhalt und dessen Bewertung total.

Worum ging es: In einem gerichtlichen Vergleich, der die Umwandlung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine ordentliche, arbeitgeberseitige und betriebsbedingte Kündigung zum Gegenstand hatte, war geregelt, dass bis zum Beendigungszeitpunkt Urlaubsansprüche mit der Freistellung verrechnet werden sollten. Die Parteien und insbesondere der Anwalt des Arbeitgebers hatten es unterlassen, im Vergleich die Anrechnung auf bestehende Überstundenguthaben („Zeitguthaben“) zu vereinbaren.

Das BAG führt dazu aus, im Vergleich müsse hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genüge die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt, nicht. Es fehle dann daran, dass der Arbeitnehmer erkennen könne, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich wegen Überstunden von der Arbeitspflicht freistellen wolle.

Interessant ist die Schlussformulierung in der PM 40/19. Hier merkt das BAG an, dass dies hier weder ausdrücklich „noch konkludent“ hinreichend deutlich festgehalten sei. Ich frage mich, wie man sicher konkludent eine Anrechnung auf Arbeitszeitkontenguthaben vereinbaren kann, aber das werden wir den Urteilsgründen entnehmen können

Trotzdem sollte man in der Praxis die üblichen Formulierungen wählen (wie z. B. das Muster in Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2017, Kapitel 23 M 23.1a dort zu § 3 Freistellung, S. 959). Will man das nicht explizit aussprechen, weil es verhandlungstaktisch unmöglich ist, sollte man wenigstens formulieren, dass mit dem Vergleich und dessen Erfüllung alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt sind. Das könnte konkludent i.S.d. BAG sein.

Man kann den Kollegen wegen seines Anfängerfehlers nur bedauern.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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