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Auskunftsrecht bei Diskriminierung

avatar  Martin Reufels

Für Arbeitnehmer stellt es oft eine große Herausforderung dar, Diskriminierungen vor Gericht zu beweisen. Dem wird auf europarechtlicher wie auf nationaler Ebene dadurch Rechnung getragen, dass an die Beweislast des Arbeitnehmers geringe Anforderungen gestellt werden. Problematisch wird dies jedoch, wenn der Arbeitnehmer über keinerlei Beweismittel verfügt und von dem Arbeitgeber Auskunft verlangt, um seiner eigenen Beweislast nachkommen zu können.

In Frankreich fühlten sich zwei Arbeitnehmerinnen, beide seit Anfang 1987 bei Radio France als Produktionsmanagerinnen beschäftigt, gegenüber zwölf anderen Mitarbeitern in derselben Position bei der Bezahlung diskriminiert. Aus diesem Grund forderten sie vor einem französischen Gericht die Offenlegung der Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Bonuszahlungen und Dokumente über den beruflichen Werdegang der zwölf anderen Arbeitnehmer, um die Diskriminierung beweisen zu können. Das höchste französische Gericht gab ihnen Recht (Cour de cassation, Urteil vom 19.12.2012, N° 10 – 20526) und begründete dies mit dem legitimen Interesse der Klägerinnen an den Dokumenten, welche sich im Alleinbesitz ihres Arbeitgebers befanden, um ihre Rechte durchsetzen zu können.

Weder der Europäische Gerichtshof noch die deutschen Gerichte haben bisher einen solch spezifischen Auskunftsanspruch anerkannt. Doch wird auch an ihrer Rechtsprechung das Dilemma deutlich, wie den Rechten der Arbeitnehmer Geltung verliehen werden kann, wenn diese wie hier bei der Höhe der Vergütungen über keinerlei Informationen verfügen. Gleichzeitig müssen die Arbeitgeber davor geschützt werden, sich plötzlich der vollen Beweislast für das Nichtbestehen einer Diskriminierung ausgesetzt zu sehen, obwohl zuvor lediglich eine Benachteiligung stimmig vorgetragen worden ist.

Der Europäische Gerichtshof ist in seinen Entscheidungen Kelly und Meister (EuGH Urteil vom 21. Juli 2011, C-104/10, dort noch zur vorhergehenden Richtlinie 97/80/EG und EuGH-Urteil vom 19.April 2012, C-415/10) davon ausgegangen, dass kein Auskunftsanspruch aus der bezeichneten Richtlinie hergeleitet werden kann, um erst in die Lage versetzt zu werden, Tatsachen glaubhaft machen zu können, selbst wenn diese in sich stimmig vorgetragen wurden. Der Europäische Gerichtshof wies jedoch auch daraufhin, dass die Verweigerung jeden Zugangs zu Informationen im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist, um nicht die mit der Richtlinie verfolgten Ziele zu beeinträchtigen. Auf welche Art und Weise dem gerecht werden kann, ließ er offen.

Nach § 22 AGG muss eine Partei Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, die andere Partei trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß vorliegt. Das Bundesarbeitsgericht stellte u.a. in seinem Urteil vom 21. 06.2012 – 8 AZR 364/11 – klar, dass dem Arbeitnehmer weiterhin die Verantwortung obliegt, das Gericht von Indizien und damit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung zu überzeugen. Zwar musste es nicht darüber entscheiden, ob ein Auskunftsanspruch bei jeglicher Informationsverweigerung vorliegt. Doch wies es daraufhin, dass eine gegebene, aber wechselnde und widersprüchliche Auskunft des Arbeitgebers für sein Verhalten bereits Indizwirkung dafür haben kann, dass die wahren Gründe nicht angegeben worden sind und wahrscheinlich diskriminierend waren. In der dem Urteil vorausgegangenen Entscheidung war das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. März 2011 – 9 Sa 678/10 -) davon ausgegangen, dass dem Arbeitnehmer ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben nach § 242 BGB zustehe, wenn der Arbeitnehmer nicht auf zumutbare Weise an die Information gelangen könne. Diese Auffassung ist beim Fehlen jeglicher Indizien jedoch problematisch, da im deutschen Recht von einer Partei nicht Aussagen vor Gericht getätigt werden dürfen, um Informationen auszuforschen und so ihre Beweislast zu umgehen.

Es bleibt weiter offen, wie ein deutsches Gericht vor dem Hintergrund entschieden hätte, dass bei einer Vergütungsbenachteiligung dem Arbeitnehmer keinerlei Informationen zur Verfügung stehen und er auch keine Möglichkeit hat, Hilfstatsachen vorzutragen.

M. Reufels / C. Lohölter

 

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