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Au-Pair-Verhältnis als Arbeitsverhältnis

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Viele Gastfamilien beschäftigten Au-Pair-Mitarbeiter(-innen) aus überwiegend europäischen Ländern. Das SG Landshut hat mit Urteil vom 18.07.2018 (Az.: S 11 AS 624/16) entschieden, dass ein Au-Pair den Arbeitnehmerstatus im Sinne des § 2 FreizügG/EU i.d.F. vom 02.12.2014 bzw. Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) haben kann.

Wesentliches Merkmal des nicht einengend auszulegenden Begriffs eines Arbeitsverhältnisses sei, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringe, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhalte. Maßgeblich sei eine Prüfung aller Umstände des Einzelfalles. Die Person dürfe auch nicht die Tätigkeit in einem so geringen Umfang ausüben, dass sich die Tätigkeit nach Weisung als vollständig untergeordnet unwesentlich darstellt. Auf der anderen Seite darf die Vergütung nicht nur symbolischen Charakter haben, sie muss aber nicht vollständig unterhaltssichernd sein (EuGH v. 03.06.1986 – C 139/85-Rechtssache Kempf; v. 04.02.2010 – C 14/09-Rechtssache Genc).

Bereits die Gewährung von Kost und Logis könne ausreichen, wenn diese im Verhältnis zum Umfang der Tätigkeit nicht völlig unangemessen sei. Das hatte der EuGH im Urteil vom 24.01.2008 – C 294/06 für eine Au-Pair mit einer zusätzlichen Vergütung zu Kost und Logis von ca. 103,00 € wöchentlich entschieden. Das SG Aachen hat ergänzend festgestellt (Beschluss vom 24.06.2016-S 14 AS 525/16 ER), das ab einer Arbeitsstundenzahl von 10 Wochenstunden in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

Die kroatische „Au-Pair Mitarbeiterin“ hatte als Gegenleistung für ihre Mithilfe im  Umfang von 4-5 Stunden täglich an wohl 6 Wochentagen von ihrer Gastfamilie neben freier Kost und Logis eine Vergütung von 260,00 EUR im Monat erhalten, daneben bezahlten Urlaub, Kranken- und Unfallversicherung in Höhe von monatlich 60,00 EUR, monatlich 50,00 EUR zur Teilnahme an einem Sprachkurs, eine Prepaid Telefonkarte sowie die freie Benutzung eines Autos inklusiv zweier Tankfüllungen pro Monat. Das genügte dem SG Landshut, eine „echte Vollbeschäftigung“ anzunehmen und auch eine tatsächliche relevante Beschäftigung, weil eine Vergütung für die Gegenleistung erbracht worden war. Die Klägerin habe insgesamt monatliche Leistungen im Wert von rund 1000 EUR erhalten.

Ich stelle Ihnen diese Entscheidung hier vor, um anzustoßen, ob die Tätigkeit als Au-Pair-Mitarbeiter in einem Familienhaushalt nicht ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 1 MiLoG darstellt und damit mindestlohnpflichtig ist. Bei der hier in Frage stehenden Stundenzahl der monatlichen Tätigkeit wäre der Mindestlohn in Höhe von 8,84 EUR je Zeitstunde wohl nicht erreicht worden.

Die Arbeitnehmereigenschaft wurde für das Au-Pair Verhältnis bei detaillierten Regelungen bzgl. Mithilfe im Haushalt und bei Kinderbetreuung, der Dienstzeiten, der Freizeit und des Urlaubes vom Arbeitsgericht Bamberg im Urteil vom 27.10.2003 (Ca 1162/03, referiert bei HWK-Tüsing, 8. Aufl. 2018, § 611 a BGB, Rz. 117) bejaht. Für Au-Pair-Mitarbeiterverhältnisse existieren keine Mindestlohn-Ausnahmeregelungen.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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