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ArbRB-Blog

Man kann es sich ja mal anders überlegen

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Wird die Schriftform des § 623 BGB für Kündigungen und Aufhebungsverträge nicht beachtet, folgt daraus die Nichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB). Immer wieder wird in der Rechtsprechung erörtert, ob sich der Arbeitnehmer auf den Formmangel einer von ihm selbst erklärten Kündigung berufen kann oder ob und wann ihm dies nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist.

Eine Abweichung von der gesetzlich angeordneten Formnichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB) setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass das Ergebnis nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (BAG, 27.3.1987, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 29; BGH, 24.4.1998, BGHZ 138, 339, 348).

Das BAG hatte in zwei älteren Entscheidungen (BAG, 04.12.1997, NZA 1998, 420 sowie BAG, 16.09.2004, ArbRB 2004, 293 = NZA 2005, 162) entschieden, dass die Berufung auf den Schriftformmangel bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen nach § 623 BGB ausnahmsweise gegen Treu und Glauben (Fallgruppe: Widersprüchliches Verhalten) verstoßen kann. Dabei kam es ganz wesentlich auf die Umstände des Einzelfalles an, weil das BAG die Formvorschriften des BGB nicht aushöhlen wollte. Im Falle des Urteils aus dem Jahre 1997 handelte es sich um  mehrmalig vom Arbeitnehmer mündlich ausgesprochene Eigenkündigungen trotz Vorhaltungen des Arbeitgebers. Das LAG Hessen (Urteil vom 25.5.2011 – 17 Sa 222/11, LAGE § 626 BGB 2002 Eigenkündigung Nr. 2) hatte es Arbeitnehmern nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der von ihnen selbst ausgesprochenen Eigenkündigung zu berufen (Rz. 35 des Urteils). Dazu bedürfe es besonderer Umstände, die den Zugriff treuwidrigen Verhaltens begründen könnten. Das sei dann der Fall, wenn das formunwirksame Rechtsgeschäft umgesetzt sei, der unwirksame Rechtsakt vollzogen und beim Arbeitgeber ein berechtigtes Vertrauen erweckt worden sei, der Arbeitnehmer halte an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fest. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte der 9. Senat des BAG (Beschluss vom 20.9.2011 – 9 AZN 797/11) zurückgewiesen.

Mit der einer anderen Fallgruppe – nämlich des Ausscheidens eines Arbeitnehmers auf eigenem Wunsch und Wechsel zu einem anderen Unternehmen –  beschäftigt sich das LAG Hessen in einem aktuellen Urteil vom 26.2.2013 (Az. 13 Sa 845/12). Eine Arbeitnehmerin wollte möglichst kurzfristig in ein anderes Unternehmen, bei dem es sich um ein Schwesterunternehmen des beklagten Arbeitgebers in der Schweiz handelte, wechseln. Da daraufhin schied die Arbeitnehmerin zum 30.06.2007 auf der Grundlage eines bloßen Schreibens des beklagten Arbeitgebers, in dem der Wechsel bestätigt wurde, aus. Sonst existierte keine Dokumentation. Nachdem Ende 2011 das schweizer Arbeitsverhältnis beendet worden war, begehrte die Arbeitnehmerin im Jahr 2012 Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestanden habe. Das LAG Hessen sieht die Berufung auf die Schriftformpflicht für den Aufhebungsvertrag als treuwidrig an und hebt die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt auf. Die Begründung ergibt sich für das LAG aus den besonderen Umständen dieses Einzelfalles. Die Klägerin selbst habe möglichst kurzfristig aus persönlichen Gründen zum Schwesterunternehmen in die Schweiz wechseln wollen. Sie habe dort 4 Jahre gearbeitet und nach ihrer Kündigung auch einen Anspruch auf Abgangsentschädigung nach § 339 b Obligationenrecht (Schweiz) unter Zurechnung ihrer Vorbeschäftigungszeiten bei der Beklagten beantragt und damit deutlich gemacht, dass sie selbst ihr Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten als beendet ansieht. Nach dem erstinstanzlichen Urteil habe sie das Angebot des deutschen beklagten Unternehmens abgelehnt, sie gemäß der erstinstanzlichen Verurteilung vorläufig weiter zu beschäftigen und stattdessen bei einem dritten Arbeitgeber in der Schweiz gearbeitet.

Es handelt sich bei dem vom LAG Hessen zu bewertenden Sachverhalt um einen absolut atypischen Einzelfall, bei dem die Treuwidrigkeit geradezu auf der Hand lag. Unternehmen sollten in jedem Fall beim Ausscheiden von Arbeitnehmern auf eine ordnungsgemäße und unter Einhaltung des Schriftformerfordernisses erfolgende Dokumentation des Ausscheidens der Mitarbeiter achten. Sollte ein Arbeitnehmer eine nicht dem Schriftformerfordernis entsprechende Eigenkündigung aussprechen – also zB mündlich oder per SMS oder Mail – , muss der Arbeitgeber von seiner Seite aus Maßnahmen ergreifen, die formwirksam (und materiellrechtlich) zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnis führen. Das kann zB. der Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung sein, wenn der Mitarbeiter außerordentlich kündigt und dann den Arbeitsplatz verlässt. In dieser Fallkonstellation ist an den Ausspruch vorhergehender Abmahnungen zu denken.

Einen weiteren Einzelfall hatte das LAG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 8.2.2013 – Az.: 8 Sa 318/11 – zu bewerten: Eine Friseurin hatte ihrem Arbeitgeber in einem Telefongespräch mehrfach erklärt, sie kündige fristlos und hatte die Bitte des Arbeitgebers, wenigstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzuarbeiten, kategorisch und mit deutlichen Worten („das ist mir scheißegal“) zurückgewiesen. Nachdem der Arbeitgeber später das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hatte, wollte die Friseurin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung festgestellt wissen. Dies wiesen das ArbG und das LAG zurück. Die Friseurin könne nicht auf das Fehlen eines Kündigungsgrundes (§ 626 BGB) und die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) berufen. Wörtlich führt das LAG aus:  „Ein Arbeitnehmer, der – wie im vorliegenden Fall die Klägerin – eine fristlose Kündigung mehrmals – und zwar entgegen den Vorhaltungen der anderen Seite – ernsthaft und nicht nur einmalig spontan ausgesprochen hat, sich sodann nachträglich jedoch auf die Unwirksamkeit der eigenen Erklärung beruft, verhält sich treuwidrig (vgl. BAG v. 04.12.1997 – 2 AZR 799/96 -). Der Klägerin ist es daher verwehrt, sich zu ihrem Vorteil auf Rechtsvorschriften zu berufen, die sie selbst missachtet hat.“

Ist die Schriftform eingehalten, kommt die Berufung des Arbeitnehmers auf die Unwirksamkeit der durch ihn selbst erklärten Kündigung – etwa weil kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorgelegen haben soll – regelmäßig nicht nicht Betracht. Der 2. Senat des BAG hatte sich mit dieser Frage zuletzt am 12.3.2009 beschäftigt (Urteil zu 2 AZR 894/07, ArbRB 2009, 288 mit Anmerkung Braun). Dem Urteil ist eine Distanzierung des für das Kündigungsrecht zuständigen Senats von der früheren einzelfallbezogenen und wenig vorhersehbaren Rechtsprechung zu entnehmen. Der Senat führt aus, dass eine schriftlich ohne jedes Drängen des Arbeitgebers abgegebene Kündigungserklärung eines Arbeitnehmers regelmäßig für eine ernsthafte und endgültige Lösungsabsicht spricht.  Wörtlich heißt es in Rz. 18: „Die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten Eigenkündigung ist daher regelmäßig treuwidrig.“ Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber dazu nicht gedrängt hat.

 

 

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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