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ArbRB-Blog

Dürfen Vorgesetzte die Einschaltung der Kamera in Videokonferenzen verlangen?

avatar  Stefan Freh

Spätestens seit dem ersten Corona-Lockdown im letzten Jahr gehören Videokonferenzen in vielen Unternehmen zum Alltag. Sie sparen Zeit und tragen dazu bei, betriebliche Abläufe auch während der Pandemie bestmöglich aufrechtzuerhalten. Videokonferenzen können persönliche Besprechungen zwar nicht vollständig ersetzen; jedenfalls zu Pandemiezeiten stellen sie jedoch eine sinnvolle Alternative dar. Dies gilt natürlich nur dann, wenn von der Videofunktion auch Gebrauch gemacht wird,  d.h. die PC-/Notebook-Kamera während der Konferenz eingeschaltet wird. Einige Arbeitnehmer verweigern die Kameranutzung jedoch und verweisen hierzu etwa auf ihre „Persönlichkeitsrechte“. Dies führt zu der Frage, ob Vorgesetzte von diesen Mitarbeitern die Einschaltung der Kamera verlangen – und die Weigerung mit arbeitsrechtlichen Mitteln sanktionieren – dürfen.

Im Ausgangspunkt wird man danach unterscheiden müssen, ob sich die Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Videokonferenz in den Büroräumlichkeiten des Unternehmens oder in ihrem Home-Office befinden. Sitzen die Mitarbeiter in den betrieblichen Büroräumlichkeiten, könnte der Vorgesetzte grundsätzlich ebensogut eine Präsenzbesprechung anordnen – jedenfalls in Zeiten, in denen keine Pandemie herrscht. Daher dürfte auch die Anordnung einer Videokonferenz unter tatsächlicher Nutzung der Kamera „billigem Ermessen“ i.S.v. § 106 GewO entsprechen. Voraussetzung dürfte sein, dass die Anordnung gegenüber allen Teilnehmern der Videokonferenz ergeht und der Vorgesetzte – sofern er selbst teilnimmt – die Kamera ebenfalls aktiviert hat. Ein wesentlicher Unterschied zur Präsenzbesprechung ist, dass Videokonferenzen theoretisch aufgezeichnet werden könnten. Eine solche Aufzeichnung wird regelmäßig nicht mehr billigem Ermessen entsprechen; die Aufzeichnungsfunktion sollte daher von vornherein in der Videokonferenz-Software deaktiviert werden.

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Arbeiten Mitarbeiter in ihrem Home-Office, sind weitere Umstände zu berücksichtigen. Die Mitarbeiter befinden sich in ihrem privaten Umfeld. Gerade während der Pandemie arbeiten die Mitarbeiter zum Teil unter nicht optimalen Bedingungen, z.B. im Wohnzimmer oder am Küchentisch. Das führt etwa dazu, dass Einrichtungsgegenstände, Bilder, Haustiere oder sogar Familienangehörige im Bild zu sehen sind. In diesem Fall wird durch die Bildübertragung weitergehend in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingegriffen. Hier wäre zu fragen, ob eine Videokonferenz wirklich erforderlich (vgl. § 26 Abs. 1 BDSG) ist oder nicht auch eine einfache Telefonkonferenz ausreicht. Allerdings lässt sich dieses Problem regelmäßig dadurch lösen, dass der Videohintergrund durch die Videokonferenz-Software „weichgezeichnet“ oder sogar ganz ausgetauscht wird. Dann würde nicht weiter in den persönlichen Bereich des Mitarbeiters eingegriffen, als dies im Fall einer Videokonferenz in den Büroräumlichkeiten des Unternehmens der Fall wäre.

Regelmäßig werden Arbeitnehmer die Teilnahme an Videokonferenzen „mit Bild“ daher nicht verweigern dürfen. Rechtsprechung zu dieser Frage existiert allerdings – soweit ersichtlich – noch nicht.

In Betrieben mit Betriebsrat sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG zu beachten.

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