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Neue Urlaubsrechtsprechung des EuGH – Teil II: Arbeitgeberrundschreiben zum Urlaubsanspruch

avatar  Detlef Grimm

Fordert der Arbeitgeber seine Mitarbeiter förmlich dazu auf, Urlaub zu nehmen, und belehrt er sie dabei über den möglichen Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende, lässt der EuGH den Verfall von Urlaubsansprüchen zu. Arbeitgeber sollten umgehend, am besten noch in diesem Monat, ein Rundschreiben mit diesen Hinweisen an ihre gesamte Belegschaft versenden. Andernfalls bliebe den Arbeitnehmern bis zum Jahresende nicht mehr ausreichend Zeit, den Urlaub zu nehmen. Wir zeigen Ihnen, wie eine mögliche Formulierung aussehen könnte.

Nach den Entscheidungen des EuGH vom 6.11.2018 (C-619/16, C-684/16) sind zwar weiterhin viele Rechtsfragen offen. Rechtliche Klarheit werden erst die sich anschließenden Entscheidungen des BAG bringen. Diese Entscheidungen können Arbeitgeber jedoch nicht mehr abwarten, da das Jahresende 2018 näher rückt. Stattdessen sollte noch in diesem Monat gehandelt werden.

Der EuGH lässt erkennen, dass Arbeitgeber den Verfall der Urlaubsansprüche erreichen können, wenn sie ihre Mitarbeiter auffordern, verbleibenden Resturlaub zu nehmen, und sie über den Verfall von Ur-laubsansprüchen zum Jahresende belehren.

Bislang ist allerdings noch ungeklärt, wie die Belehrung und Aufforderung im Einzelnen ablaufen muss. Insbesondere ist ungeklärt, ob jeder Arbeitnehmer individualisiert unter Hinweis auf den ihm persönlich noch zustehenden Resturlaub aufgefordert werden muss oder ob ein generalisierender Hinweis an die Gesamtbelegschaft in einer Rund-E-Mail reicht.

Wir können den Entscheidungsbegründungen des EuGH keine Gründe entnehmen, die eine – aufwendige – individualisierte Aufforderung erzwingen. Wir halten deshalb eine generalisierende Rund-E-Mail für ausreichend und aus pragmatischen Gründen für empfehlenswert. Die Rund-E-Mail sollte im Betreff und in Outlook als „wichtig“ markiert und mit einer Lesebestätigung versehen werden, um die Ernsthaftigkeit des Anliegens beweissicher zu bekräftigen.
Eine mögliche Formulierung könnte wie folgt aussehen:

Wichtig: Bitte nehmen Sie bis zum Jahresende Ihren Resturlaub!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Jahresende rückt näher und vielen von Ihnen stehen noch erhebliche Resturlaubsansprüche zu. Aus diesem Anlass und vor dem Hintergrund der am 6.11.2018 ergangenen Entscheidungen des EuGH möchte ich Sie deshalb namens der Geschäftsführung auffordern, diesen Resturlaub bis zum Jahresende 2018 in Anspruch zu nehmen. Bitte setzen Sie sich dazu umgehend mit Ihrer/Ihrem Vorgesetzten in Verbindung und stimmen Sie mit ihr/ihm die Urlaubsplanung für das Restjahr ab. Alle Führungskräfte in unserem Unternehmen sind angewiesen, sich nach Kräften dafür einzusetzen, dass Sie Ihren Jahresurlaub vollständig ausschöpfen können. Zögern Sie also nicht, Ihre/Ihren Vorgesetzte/Vorgesetzten auch bei ungewöhnlichen und kurzfristigen Urlaubswünschen anzusprechen.
Wenn Sie unsicher sind, wie viele Urlaubstage Ihnen in diesem Jahr noch zustehen, kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Die Höhe des Ihnen noch zustehenden Resturlaubs können Sie jederzeit gerne bei der Personalabteilung erfragen. Senden Sie uns dazu einfach eine E-Mail (personalabteilung@xyz-gmbh.de) oder nehmen Sie mit uns telefonisch Kontakt auf (0221/12345789).

Achtung: Wenn Sie Ihren Resturlaub nicht bis zum Jahresende in Anspruch nehmen, verfällt Ihr Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG grundsätzlich ersatzlos! Nur wenn dringende betriebliche Gründe (z.B. die Überlastung Ihrer Abteilung) oder in Ihrer Person liegende Gründe (z.B. eine Erkrankung) dies rechtfertigen, können Urlaubsansprüche ausnahmsweise auf das Folgejahr übertragen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Dann muss Ihr Urlaubsanspruch allerdings umgehend in Anspruch genommen werden. Andernfalls verfällt er zum 31.03. (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG).

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, steht Ihnen unsere Personalabteilung unter den oben angegebenen Kontaktdaten jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Marie Mustermann
Personalleiterin“

Bitte übernehmen Sie vorstehende Musterformulierung nicht ungeprüft. Sie ist nicht allgemeingültig. In vielen Unternehmen gelten besondere Urlaubsgrundsätze, die von der gesetzlichen Rechtslage abweichen. Zum Beispiel haben manche Unternehmen eine betriebliche Übung etabliert, nach der Urlaubsansprüche uneingeschränkt auf das Folgejahr übertragen werden und dort zum 31.3. verfallen. Dann muss das Datum angepasst werden. Andere Unternehmen haben besondere Verfallsregeln in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Im Rundschreiben muss diejenige Rechtslage erläutert werden, die tatsächlich in Ihrem Unternehmen besteht.

Es spricht viel dafür, die Versendung dieses Arbeitgeberrundschreibens als festen, alljährlichen Prozess im Unternehmen zu etablieren. Die Ausgestaltung des Prozesses sollte allerdings davon abhängig gemacht werden, wie die weitere Rechtsprechung des BAG zu den in Rede stehenden Fragen ausfällt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm und RA Dr. Jonas Kühne, Loschelder Rechtsanwälte, Köln

Weitere Beiträge zum Thema:

Neue Urlaubsrechtsprechung des EuGH – Teil I: Automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende ist europarechtswidrig

Neue Urlaubsrechtsprechung des EuGH – Teil III: So regeln Sie den Verfall des vertraglichen Mehrurlaubs

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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