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EU will Whistleblower schützen

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Die europäische Kommission hat am 23.04.2018 in englischer Sprache den Entwurf einer neuen Richtlinie zur Stärkung des Schutzes von Hinweisgebern – sog. Whistleblowern – in der EU vorgelegt. Ausgangspunkt waren die jüngsten Skandale wegen Dieselgate, Lux Leaks und die Panama Papers.

Mit der Richtlinie sollen sichere Kanäle für die Meldung von Missständen sowohl innerhalb einer Organisation (also eines Unternehmens) als auch an Behörden geschaffen werden. Hinweisgeber sollen vor Kündigungen, Zurückstufungen und anderen Repressalien geschützt werden und nationale Behörden sollen verpflichtet werden, Bürgerinnen und Bürger über den Schutz von Whistleblowern zu informieren und die öffentlichen Stellen im Umgang mit Hinweisgebern zu schulen.

Ziel ist der Schutz vor Gefahren für das öffentliche Interesse, wie Betrug, Korruption, Steuervermeidungs-Gestaltungen und Schäden für die Umwelt, so der Erste Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans. Idealistischer sieht es die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Frau Vĕra Jourová: „Mit den neuen Regeln für den Hinweisgeberschutz wird sich das Blatt wenden. In einer globalisierten Welt, in der das Streben nach Gewinnmaximierung mitunter zu Lasten der Gesetzestreue geht, müssen wir Menschen helfen, die das Risiko auf sich nehmen und schwere Verstöße gegen das EU-Recht aufdecken. Das sind wir den ehrlichen Menschen in Europa schuldig.“

Der Richtlinienentwurf  will einen Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht gewährleisten. Und zwar in den Bereichen

  • öffentliche Auftragsvergabe
  • Finanzdienstleistungen
  • Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
  • Produktsicherheit
  • Verkehrssicherheit
  • Umweltschutz
  • kerntechnische Sicherheit
  • Lebens- und Futtermittelsicherheit
  • öffentliche Gesundheit
  • Verbraucherschutz der Privatsphäre und Datenschutz
  • Sicherheit von Netz- und Informationssystemen
  • Verstöße gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften (also Kartellrecht)
  • Körperschaftssteuer-Vorschriften sowie
  • bei den Schädigungen der finanziellen Interessen der EU.

Wichtig ist, dass die Kommission den Mitgliedsstaaten nationale Regelungen empfiehlt, die über die Mindeststandards der EU hinausgehen und dementsprechend auch das nationale – also deutsche – Recht schützen können.

Sachlich betroffen sein sollen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. Euro. Auch alle Landes- und Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern betrifft die Richtlinie.

Geschaffen werden soll ein dreigliedriges Meldesystem, bestehend aus

  • internen Meldekanälen (also innerhalb der Unternehmen),
  • Meldungen an die zuständigen Behörden – wenn interne Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können. Das soll der Fall sein, wenn die Nutzung interner Kanäle die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der zuständigen Behörden gefährden könnte,
  • und schließlich – wenn all das zuvor nicht gegriffen hat – Meldungen an die Öffentlichkeit und den Medien, und zwar dann, wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentliches Interesses oder die Gefahr eines irrreparablen Schadens besteht

Hier wird es spannend zu verfolgen sein, wie Hinweisgeber (also die Arbeitnehmer bzw. Beschäftigten) die Restriktion des Rechtfertigungstatbestandes bei Meldungen an die zuständigen Behörden bzw. an die Öffentlichkeit interpretieren. Das bietet im Hinblick auf die in Deutschland als Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis geltende Verschwiegenheitspflicht durchaus Sprengstoff.

Die Behörden und Unternehmen müssen innerhalb von drei Monaten rückmelden, wie sie reagiert haben und was sie weiter verfolgen.

Arbeitsrechtlich besonders relevant sind  schließlich die vom Richtlinienentwurf so bezeichneten sog. „Vergeltungsmaßnahmen“ und die Pflicht zu einem wirksamen Schutz der Hinweisgeber. Ein Hinweisgeber soll Zugang zur kostenlosen Beratung und angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten.

Dabei wird auch ein besonderer Kündigungsschutz, nämlich ein Schutz vor Schikane geschaffen werden. Hierbei soll dann eine Beweislastumkehr stattfinden, die missbrauchsanfällig ist: Ist irgendein Hinweis gegeben worden, muss das Unternehmen nachweisen, dass keine sog. „Vergeltungsmaßnahme“ (gemeint ist wohl also ungerechtfertigte Sanktion) gegen den Hinweisgeber vorliegt. Für den geschickten Anwalt eine Möglichkeit, Kündigungen gegen Arbeitnehmer-Mandanten zu erschweren. Ich denke, die Verfolgung des Europäischen Regelungsvorhabens lohnt sich.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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