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ArbRB-Blog

Verstößt das Verbot der Nutzung des Mobiltelefons am Arbeitsplatz gegen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers?

avatar  Wolfgang Kleinebrink

Manchmal hat man den Eindruck, Menschen können ohne ihr Mobiltelefon nicht leben. Es liegt z.B. neben dem Essen auf dem Tisch oder wird zur Freude aller Mitreisenden in der Bahn lautstark genutzt. Vor diesem Hintergrund meinen manche Arbeitnehmer, sie hätten auch das Recht, ihr Handy während der Arbeitszeit an ihrem Arbeitsplatz zu nutzen. Dies sei so üblich und sei deshalb sozial adäquat oder extremer: Ein solches Verbot beeinträchtige ihr verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht. Arbeitgeber hingegen haben ein Interesse daran, dass ihre Arbeitnehmer konzentriert und ohne Unterbrechung durch derartige Anrufe arbeiten. Eine soeben im Volltext veröffentlicht Entscheidung des BAG beantwortet die Frage, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber diese private Nutzung am Arbeitsplatz verbietet. Hiervon zu trennen ist aber, ob der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer überhaupt eine solche Weisung erteilen kann.

Fehlendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Einem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu, wenn ein Arbeitgeber zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit festlegt, dass jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit verboten ist, und außerdem bei Verstößen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen droht (BAG 17.10.2023 – 1 ABR 24/22, s. hierzu auch den Blog-Beitrag von Groeger vom 14.1.2024).

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zwar in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bezieht sich der überwiegende Regelungszweck aber auf das Arbeits- und nicht auf das Ordnungsverhalten, scheidet dieses Mitbestimmungsrecht aus. Das Verbot, Mobiltelefone während der Arbeitszeit privat zu nutzen, bezieht sich zumindest vorrangig auf das Arbeitsverhalten. Der Arbeitgeber bezweckt mit einer solchen Regelung, zügiges und konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer sicherzustellen. Mögliche Ablenkungen privater Natur durch Verwendung dieser Geräte sollen unterbunden werden (BAG 17.10.2023 – 1 ABR 24/22).

Rechtmäßige Weisung des Arbeitgebers

Vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats streng zu trennen ist aber die Frage, ob ein Arbeitgeber einzelvertraglich berechtigt ist, den Arbeitnehmern eine entsprechende Weisung zu erteilen.

Ein Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Kurz gesagt ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Dies gilt nach § 106 Satz 2 GewO auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb und damit für die hier aufgeworfene Frage zur Möglichkeit der Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken.

Verbot durch Gesetz

Die Nutzung von Mobiltelefonen kann bereits aufgrund von Vorschriften zur Arbeitssicherheit gesetzlich verboten sein, so dass sich bereits deshalb die Frage nach der Ordnungsmäßigkeit des Direktionsrechts gar nicht stellt. Es handelt sich dann lediglich um den Hinweis auf bestehende gesetzliche Verbote und eben nicht um die Ausübung eines Direktionsrechts.

Ein Arbeitgeber hat nach § 5 ArbSchG durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefahren zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Ist in einer solchen Gefährdungsbeurteilung festgelegt, dass eine Gefährdung besteht, wenn an einem Arbeitsplatz Mobiltelefone genutzt werden, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dies zu beachten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine private oder dienstliche Nutzung handelt. Denkbar ist eine solche Aufnahme in die Gefährdungsbeurteilung insbesondere, wenn das Mobiltelefon in der Nähe von oder in explosionsgefährdeten Bereichen mitgeführt oder gar genutzt werden könnte.

Arbeitsschutzrechtlich ist aus Sicht der Beschäftigten außerdem § 15 ArbSchG zu berücksichtigen. Sie sind demnach verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Hierzu kann an konkreten Arbeitsplatz auch gehören, das Mobiltelefon nicht zu nutzen.

Verbot durch Arbeitsvertrag

Auf ein mögliches Direktionsrecht kommt es außerdem nicht mehr an, wenn dem Arbeitnehmer bereits im Arbeitsvertrag untersagt ist, das Mobiltelefon während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken zu nutzen.

Verbot durch Betriebsvereinbarung

Denkbar ist ferner, dass in einer – freiwilligen – Betriebsvereinbarung näheres zum Umgang mit dem Mobiltelefon geregelt ist. Dies ist dann ebenfalls vom Arbeitnehmer unabhängig von einem Weisungsrecht des Arbeitgebers zu beachten. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Es bedarf folglich keiner Umsetzung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber mehr.

Weisung nach billigem Ermessen

Ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht durch eine der genannten Rechtsgrundlagen eingeschränkt, ist fraglich, ob er es nach billigem Ermessen ausüben und folglich dem Arbeitnehmer auf diesem Weg die Nutzung des Mobiltelefons während der Arbeitszeit untersagen kann. In der genannten neuen Entscheidung des BAG hatte sich der Kläger darauf berufen, ein so weitreichendes Verbot sei bereits deshalb individualrechtlich unzulässig, weil es das Persönlichkeitsrecht verletze oder die Nutzung zumindest in eingeschränktem Umfang zu privaten Zwecken als sozialadäquat anzusehen sei. Das BAG musste dies allerdings nicht entscheiden, da es allein um die Frage des Mitbestimmungsrechts ging.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang aber eine Entscheidung des LAG Köln (LAG Köln 19.12.2019 – 7 Sa 444/19, ArbRB online). Demnach ist das Verbot der Nutzung privater Mobilfunktelefone während der dienstlichen Einsatzzeiten von Sicherheits- und Kontrollkräften an einem Verkehrsflughafen rechtlich nicht unzulässig. Die vom Gericht angestellten Überlegungen gelten allerdings auch in anderen Fällen. Demnach stellt die Nutzung eines privaten Mobiltelefons mit seinen zahlreichen Funktionsmöglichkeiten eine erhebliche mögliche Quelle der Ablenkung dar. Dies gilt für das Führen und Annehmen von Telefonaten, für das Senden wie Empfang und Lesen von Nachrichten ebenso wie – erst recht – für das Surfen im Internet. Ein gestaffeltes Verbot fordert das Gericht zu Recht nicht, da dies unpraktikabel und nicht rechtssicher handhabbar ist.

Praxistipp:

In der Praxis sollte ein vom Arbeitgeber gewünschtes generelles Verbot der privaten Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit vertraglich oder kollektivrechtlich vereinbart werden, sofern es eines solchen Verbots aufgrund bestehender Arbeitsschutzvorschriften überhaupt bedarf.

Gibt es keine derartige Regelung, sollte im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts dargelegt werden, aus welchen Gründen aus Sicht des Arbeitgebers ein entsprechendes berechtigtes betriebliches Interesse besteht. Insbesondere im Produktionsbereich wird man sich auf die Gefahr von Ablenkungen berufen können.

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