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Hinweisgeberschutzgesetz mit Zustimmung des Bundesrats final beschlossen

avatar  Maria Osmakova

Zunächst lief es zäh, „auf der Zielgeraden“ ging es dann aber plötzlich sehr schnell: Der von der Ampel-Koalition einberufene Vermittlungsausschuss präsentierte am 9.5.2023 seine Beschlussempfehlung. Der Bundestag nahm diese am 11.5.2023 an. Schon am darauffolgenden Tag stimmte der Bundesrat der Verabschiedung des Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz) zu. Einen Monat nach der Verkündung – mit welcher alsbald zu rechnen ist – tritt das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft.

1. Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens

Die Umsetzung der sog. Whistleblower-Richtlinie (EU) 2019/1937 ist längst überfällig. Sie hätte bis zum 17.12.2021 in nationales Recht transformiert werden müssen. Der erste Versuch zur Umsetzung scheiterte im Frühjahr 2021 an der Großen Koalition, die sich über keinen gemeinsamen Entwurf verständigen konnte.

Einen neuen Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz legte die Bundesregierung im August 2022 vor (BT-Drs. 20/3442). Auch dieser scheiterte zunächst. Der Gesetzesentwurf wurde zwar in einer durch den Rechtsausschuss modifizierten Version vom Bundestag beschlossen (BT-Drs. 20/4909, BR-Drs. 20/23). Er scheiterte jedoch an der fehlenden Zustimmung des Bundesrats. Sodann griffen die Koalitionäre „in die Trickkiste“ und spalteten den Gesetzesentwurf in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil, um den Bundesrat zu umgehen. Nach großer Kritik und Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens nahmen die Regierungsparteien hiervon Abstand und riefen den Vermittlungsausschuss an. Dies ist geglückt und ein Konsens wurde gefunden. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde final vom Bundestag und Bundesrat angenommen.

2. Im Vermittlungsausschuss gefundener Kompromiss

Im Vermittlungsausschuss einigten sich Vertreter von Bundestag und Bundesrat auf folgende Änderungen zum vormaligen Entwurf, welche nun Bestandteil des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes sind:

  • Anwendungsbereich: Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.
  • Umgang mit anonymen Meldungen: Es besteht keine Verpflichtung, interne Meldestellen derart einzurichten, dass die Abgabe anonymer Meldungen ermöglicht wird. Gehen allerdings anonyme Meldungen bei den Meldestellen ein, sollen sie bearbeitet werden. Gleiches gilt vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen für die externen Meldestellen.
  • Verhältnis zwischen interner und externer Meldung: Die hinweisgebende Person soll die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen, wenn intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind. Wird dem intern gemeldeten Verstoß dann nicht abgeholfen, bleibt es der hinweisgebenden Person allerdings unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden.
  • Beweislastumkehr: Es bleibt bei der Vermutung, wonach eine Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eine Repressalie darstellt. Die Beweislastumkehr kommt aber nur zum Tragen, wenn die hinweisgebende Person auch aktiv geltend macht, die Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung erlitten zu haben.
  • Immaterieller Schadensersatz: Ein Anspruch auf Entschädigung im Fall einer erlittenen Repressalie entfällt künftig. Der Anspruch auf einen materiellen Schadensersatz bleibt erhalten.
  • Bußgeld: Der Bußregelrahmen für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wegen Behinderung einer Meldung und Ergreifen einer Repressalie wurde abgesenkt. Die maximale Geldbuße beträgt jetzt 50.000 € statt 100.000 €.

3.    Fazit

Jetzt wird es für größere Unternehmen ernst: Unternehmen ab 250 Beschäftigten müssen ihre Meldestellen bis zum Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes eingerichtet haben. Unternehmen, die sechs Monate nach der Verkündung des Gesetzes noch keine Meldestelle eingerichtet haben, drohen Bußgelder. Unternehmen unterhalb dieses Schwellenwertes mit einer Mindestgröße von 50 Beschäftigten haben etwas mehr Zeit. Sie müssen ihre Meldestellen bis zum 17.12.2023 entsprechend der gesetzlichen Vorgaben einrichten.

Nachtrag vom 2.6.2023: Das Gesetz ist am 2.6.2023 im BGBl. I Nr. 140 veröffentlicht worden.


Hinweise der Redaktion:

Eine ausführliche Darstellung der Änderungen der jetzt beschlossenen Fassung gegenüber dem vorherigen Entwurf von Dr. Detlef Grimm und Maria Osmakova finden Sie in der Juni-Ausgabe des ArbRB (ET: 10.6.2023).

Ebenfalls in der Juni-Ausgabe des ArbRB erläutert Dr. Boris Dzida,  inwieweit Arbeitsverträge jetzt an das neue Hinweisgeberschutzgesetz anzupassen sind und insb. welche Klauseln in Musterarbeitsverträgen nun auf den Prüfstand gehören.

Noch zur vorherigen Entwurfsfassung sei auf den Aufsatz von Dr. Nathalie Oberthür in ArbRB 2022, 378 ff. verwiesen („Der neue Hinweisgeberschutz – Gesetzgebung in der Zielgeraden“).

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