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Lehrreiches zur Betriebsratsvergütung im Jahr 2018

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Angesichts des in der Weihnachtswoche publik gewordenen Falles rund um die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder bei VW tut ein Blick in die Rechtsprechung gut. Dabei hilft uns ein klar aufgebautes Urteil des LAG Köln v. 6.4.2017 – 7 Sa 896/16.

Ausgangspunkt der Bewertung ist § 37 Abs. 4 BetrVG. Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht schlechter bemessen sein als das Arbeitsentgelt vergleichbarer (die Findung der Vergleichsgruppe ist erster Prüfungspunkt) Arbeitnehmer mit  betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (zweiter Prüfungspunkt).  Sonst werden Betriebstäte wegen ihres Amtes nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG benachteiligt und der Arbeitgeber begeht eine Straftat.

Wäre auf der anderen Seite die Vergütung zu hoch bemessen, droht der Unternehmensleitung des Arbeitgebers ein Strafverfahren wegen Untreue (§ 266 StGB;  dazu Fitting, 28. Aufl. 2016, § 119 BetrVG Rz. 9; zum Treubruchtatbestand bei „massiven Zahlungen“ LG Braunschweig v. 22.2.2008 – 6 KLs 20/07 Rz. 337 anlässlich der Gewährung von Sonderboni, insoweit  zustimmend MK-StGB-Joecks, Nebenstrafrecht Band 7, 2. Aufl.  2015, § 119 BetrVG Rz. 32) und ergänzend § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (dazu HWK-Hohenstatt/Dzida, § 119 BetrVG Rz. 4). Die Straftat nach § 119 Abs.1 Nr. 3 BetrVG erfasst nur den Leistenden (instruktiv Moll/Roebers NZA 2012, 57). Mangels Vermögensbetreuungspflicht können Betriebsräte nicht Täter einer Untreuestraftat sein, höchstens – bei Vorliegen des doppelten Anstiftervorsatzes – Anstifter. Die Annahme durch Betriebsräte erfasst auch nicht den Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.  Also: Der Arbeitgeber muss sorgsam vorgehen. Soweit zum Strafrecht, nun zurück zum BetrVG:

Ein Techniker der Telekom war zum Zeitpunkt seiner Wahl in den Betriebsrat, die im Jahr 2006 erfolgt war,  in die Technikervergütungsgruppe T5 eingruppiert gewesen. Ungefähr 20 Kollegen mit gleicher Aus- und Fortbildung und Funktion waren zu diesem Zeitpunkt in diese Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen. Von den im Unternehmen zum Zeitpunkt der Klage verbliebenen 16 Mitarbeitern befanden sich zwei in T5, vier erhielten eine außertarifliche Vergütung oberhalb der (höchsten) Vergütungsgruppe T6. Die anderen 10 Kollegen erhielten – wie auch der Kläger – eine Vergütung nach T6, wobei nicht nur der Kläger, sondern auch drei weitere Kollegen eine Zulage rund um 150,00 € erhielten. Maximal war Mitgliedern aus der Gruppe eine Zulage von 300 € gewährt worden.

Das LAG hat entschieden, dass der Aufstieg in die Tarifgruppe T6 eine betriebsübliche Entwicklung wiederspiegele und sich der Kläger insoweit im Mittelfeld der Vergütung befand. Er habe keinen Anspruch auf die maximal gezahlte Zulage von 300,00 €.

Die Entscheidung ist sehr lehrreich, weil sie einmal Hilfe gibt für die Feststellung der Vergleichsgruppe (also dem ersten Prüfungspunkt), hier die im Jahre 2006 in T5 eingruppierten Techniker. Dazu kann sich das LAG auf die Rechtsprechung des BAG im Urteil vom 4.11.2015 – 7 AZR 972/13 Rz. 22 stützen. Maßgeblich ist Art und Qualifikation der Tätigkeit und dann die Eingruppierung. Der Kläger war damit zutreffend „einsortiert“.

Es kommt dann im zweiten Prüfungspunkt auf die „betriebsübliche berufliche“ Entwicklung an. Hier befindet sich der Kläger ausweislich des Tatbestandes ziemlich genau in der Mitte der nach dem Geschehensablauf typischen Entwicklung. Typisch und üblich ist eine Entwicklung, wenn in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann (wie das BAG im Urteil v. 14.7.2010 – 7 AZR 359/09 Rz. 30 ausführt, kritisch im Hinblick auf die Zunahme individueller Beförderungsentscheidungen „zumindest“ bei gehobenen Positionen HWK-Reichold, § 37 BetrVG Rz. 26).

Hier konnte man den Kläger aus einer Gruppe von 20 Mitarbeitern ziemlich genau in die Mitte eingruppieren, und zwar nicht nur hinsichtlich des Grundgehalts, sondern auch hinsichtlich der Zulage: „Auch hier liegt der Kläger somit wiederum in der Mitte der vergleichbaren Kollegen mit betriebsüblichen Entwicklung.“ (so das LAG Rz. 26 des Urteils)

In der Praxis stellt sich sehr häufig die Situation, dass die betroffenen Betriebsratsmitglieder geltend machen, sie hätten eine „hypothetische Weiterentwicklung“ genommen, die sich im Grunde an der „bestmöglichen“ beruflichen Weiterentwicklung der zum gleichen Zeitpunkt eingestellten und von Ausbildung und Tätigkeit vergleichbaren Kollegen orientiert. Das wäre eine Entwicklung, die sich am „olympiareifen“ Best-Kollegen orientiert und den Betriebsrat im Grunde immer zu einem solchen Olympiakandidaten macht (zumindest was die Vergütung betrifft). Wendet man diese Grundsätze nicht an, sondern die – vom LAG zutreffend wiedergegebene – Rechtsprechung des BAG, wird klar, dass Betriebsräte sich in der Mitte (aber wegen § 78 Satz 2 BetrVG auch nicht darunter) der betriebsüblichen Entwicklung finden müssen, nicht hingegen die bestmögliche und im Einzelfall sonst vorzufindende berufliche Entwicklung für sich in Anspruch nehmen können.

Merke: Nicht jeder wäre wie der VW-Betriebsratschef Osterloh „Bereichsvorstand“ mit einer Vergütung von 750.000,00 € einschließlich Bonus geworden. Angesichts der Forderungen des Betroffenen um „Hilfe aus Berlin“ bin ich gespannt, ob und was sich in dem sondierten Koalitionsvertrag zu einem „rechtssicheren“ § 37 Abs. 4 BetrVG finden wird. Die SPD wollte im Juni 2017 kurz vor der Bundestagswahl das BetrVG noch ändern. Vielleicht hilft ganz einfach eine Portion Bescheidenheit auf Betriebsratsseite. Ihnen wünsche ich viel Erfolg bei der Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der 2018 neu- und wiedergewählten Betriebsratsmitglieder.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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