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Ein neues Risiko beim Einsatz von Scheinselbstständigen?

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Dies steht zu vermuten wenn man die Entscheidung des EuGH vom 29.11.2017 – C-214/16 (King vs. Sash WW) liest. Der Kläger war seit 1999 ausschließlich auf Provisionsbasis bei der Beklagten tätig. Nachdem er in der ganzen Zeit keinen bezahlten Urlaub gehabt hatte, klagte er nach seiner Verrentung Urlaubsabgeltung ein. Die Arbeitgeberin wies die Forderung unter Hinweis auf seine Selbstständigkeit zurück. Aufgrund der Entscheidung Englischer Gerichte war unstreitig, dass der Kläger Arbeitnehmer war. Es stellte sich nun die Frage, ob nationale Vorschriften den Verfall des Urlaubs zur Folge haben.

Zunächst stellt der EuGH fest, dass der Arbeitnehmer nicht schon seinen Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen lassen kann, ob er für diesen Anspruch auf Bezahlung hat. Vielmehr muss er sicher sein Entgelt erhalten können. Außerdem könnten derartige Umstände den Arbeitnehmer abhalten, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Dies würde gegen das mit dem Recht auf Jahresurlaub verfolgte Ziel verstoßen. Auch konnte der Kläger seinen Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ansammeln. Er hat seinen Anspruch aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht ausgeübt. Anders als im Falle der Langzeiterkrankung konnte der Arbeitgeber davon profitieren, dass der Arbeitnehmer keinen Urlaub genommen und gearbeitet hat. Dass die Arbeitgeberin irrtümlich davon ausging, dass der Kläger keinen Urlaubsanspruch hatte, ist unerheblich, denn sie muss sich umfassend informieren. Würde man ein Erlöschen der Urlaubsansprüche zulassen, „so würde man ein Verhalten bestätigen, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führt und dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwiderläuft.“ (EuGH, a.a.O., Rz. 64)

Hier muss man sich fragen, welche Auswirkungen diese Entscheidung in Deutschland hat. Im Ergebnis wird man davon ausgehen müssen, dass Unternehmen sich mit Ansprüchen von vermeintlich Selbstständigen werden auseinandersetzen müssen, wenn nach langen Jahren festgestellt wird, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelte. § 7 Abs. 3 BUrlG dürfte hier dann nicht eigreifen und zum Verfall der Ansprüche führen. D.h. es tut sich ein weiteres Risiko beim Einsatz von Selbstständigen auf.

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse ist Partner bei Göhmann Rechtsanwälte, Magdeburg. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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