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ArbRB-Blog

Arbeitszeugnis: Anspruch auf Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel

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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Bereits das LAG Düsseldorf beschäftigte sich Anfang des Jahres mit der Frage, ob Arbeitnehmende einen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel haben (Urteil vom 12.1.2021 – 3 Sa 800/20). Nunmehr hatte das LAG München (Urteil vom 15.7.2021 – 3 Sa 188/21) die Frage zu entscheiden, ob über eine Dankes- und Wunschformel hinaus auch ein Anspruch auf eine Bedauernsformel besteht.

Die Leitsätze des LAG München

  1. Eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Endzeugnis mit „gut“ bewertet worden ist, hat keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung „wir bedauern sehr“.
  2. Es besteht kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeugnisses aufgenommen werden.

Kein Anspruch auf Bedauernsformel

Das LAG München verneinte vorliegend einen Anspruch auf eine Bedauernsformel.

  • Das LAG ließ offen, ob dem Grundsatz nach ein Anspruch auf eine Bedauernsformel besteht. Jedenfalls sei bei einem Zeugnis mit lediglich der Note „gut“ eine Bedauernsformel nicht üblich.
  • Ohne einen Bedauernsausdruck wirke das Zeugnis weder in sich widersprüchlich noch stehe die Auslassung im Widerspruch zu den sonstigen Bewertungen.
  • Auch sei eine Bedauernsformel nicht von dem für Arbeitszeugnisse geltenden Grundsatz der Wahrheitspflicht erfasst. Gegenstand der Wahrheitspflicht seien objektiv beweisbare Tatsachen, wohingegen der Ausspruch des Bedauerns keine Tatsache, sondern ein persönliches Empfinden darstelle.
  • Die Äußerung eines tatsächlich nicht vorhandenen Bedauerns wäre überobligatorisch und könne daher nicht verlangt werden (übereinstimmend mit LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20).
  • Insbesondere bestehe kein Anspruch auf die von der Arbeitnehmerin eingeklagte Formulierung, dass das Ausscheiden „sehr“ bedauert werde. Eine solche gesteigerte Bedauernsformel käme nur bei einem sehr guten Zeugnis in Betracht, stände im Widerspruch zu dem sonstigen Zeugnisinhalt und würde diesen relativieren.

Teilweiser Anspruch auf Wunschformel

Bezüglich einer Wunschformel bejahte das LAG einen Anspruch lediglich hinsichtlich der guten Wünsche für die beruflich Zukunft und begründete dies wie folgt:

  • Ein Anspruch auf gute Wünsche für die private Zukunft ergebe sich weder aus § 109 Abs. 2 S. 1 GewO noch aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO.
  • Ein Zeugnis richte sich nicht in erster Linie an die Arbeitnehmerin persönlich, sondern diene vor allem als Bewerbungsunterlage für künftige Arbeitgebende.
  • Ob Arbeitgebende ihre Empfindungen in einem primär an unbekannte Dritte gerichteten Zeugnis zum Ausdruck bringen, sei zwar eine Frage des persönlichen Stils (BAG, Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, ArbRB 2013, 68 [Oetter]). Da das Zeugnis jedoch dem beruflichen Fortkommen diene, bejahte das LAG München einen Anspruch auf gute Wünsche hinsichtlich der beruflichen Zukunft. Lediglich hinsichtlich der Wünsche für die private Zukunft schloss sich das LAG der Rechtsprechung des BAG an und verneinte einen Anspruch hierauf.

Einordnung

Das LAG München bejaht entgegen der Grundsatzentscheidung des BAG zur Schlussformel vom 20.02.2001 (9 AZR 44/00, ArbRB 2001, 10 [Berscheid]) und deren Folgerechtsprechung (BAG, Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, ArbRB 2013, 68 [Oetter]) einen Anspruch auf gute Wünsche für die berufliche Zukunft. Die Entscheidung liegt jedoch teilweise auf einer Linie mit der ständigen Bezirksrechtsprechung des LAG Düsseldorf sowie des LAG Hamm, die bei einem überdurchschnittlichen Zeugnis grundsätzlich einen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel bejahen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.1.2021 – 3 Sa 800/20; LAG Düsseldorf Urteil vom 21.05.2008 – 12 Sa 505/08 und LAG Düsseldorf Urteil vom 03.11.2010 – 12 Sa 974/10, ArbRB 2011, 202 [Schäder]; LAG Hamm Urteil vom 08.09.2011 – 8 Sa 509/11).

Das LAG Düsseldorf sieht eine Dankes- und Wunschformel als ein Gebot der Höflichkeit an und begründet einen Anspruch hierauf mit § 109 GewO, § 241 Abs. 2 BGB. Fehle eine entsprechende Schlussformel, werde das Arbeitszeugnis gleich wieder „entwertet“.

Fazit und praktische Hinweise

Die sich abzeichnende Entwicklung in der Instanzrechtsprechung ist zu begrüßen. Allen Praktiker:innen fällt es unmittelbar negativ auf, wenn ein Arbeitszeugnis nicht mit einer entsprechenden und positiven Schlussformel endet. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher wünschenswert. Sie würde zur besseren Vergleichbarkeit von Zeugnissen beitragen sowie die in der Praxis hierzu oft emotional geführten Diskussionen erübrigen.

Um Folgestreitigkeiten zu vermeiden, ist daher bis auf Weiteres bei gerichtlichen Einigungen darauf zu achten, dass diese einen vollstreckbaren, bzw. bei außergerichtlichen Einigungen, dass diese einen einklagbaren Inhalt haben. Der sicherste Weg ist daher, den kompletten Zeugnistext in die Einigung mit aufzunehmen. Da dies in der Praxis oftmals umständlich und unpraktikabel ist, ist es empfehlenswert, zumindest die konkrete Formulierung der Leistung- und Verhaltensbewertung sowie die konkrete Formulierung der Schlussformel wörtlich mit aufzunehmen.

Auch wenn all dies nicht erfolgt ist, führt dies nicht dazu, dass für Arbeitnehmende alles verloren wäre. Sofern in der Einigung zumindest aufgenommen ist, dass ein Zeugnis mit einer „üblichen Dankes- und Bedauernsformel“ zu erteilen ist, wird teilweise vertreten, auch dieser übliche und ohne weiteres hinreichend bestimmbare „Standardsatz“ sei vollstreckbar (vgl. hierzu  Blog von Schneider zu LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 05.04.2018 – 9 Ta 1625/17 auf www.arbrb.de).

Mehr zum Thema „Arbeitszeugnis“:

Die eingangs zitierte Entscheidung des LAG Düsseldorf (3 Sa 800/20) von Anfang dieses Jahres habe ich auf www.arbrb.de bereits in einem separaten Blog besprochen.

Zur Frage, ob ein Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis besteht, finden Sie auf www.arbrb.de einen Beitrag von Grimm zu LAG Rheinland-Pfalz v. 21.09.1999 – 9 AZR 893/98.

 

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