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BAG: Ordentliche Kündigung außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes: Warum man mit seiner Tochter Schokolade essen darf und das niemanden etwas angeht…

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Grundrechtliche Argumentationsketten im Rahmen verfassungs- oder gar europarechtskonformer Auslegung sind im Arbeitsrecht momentan durchaus en vogue.

Sie waren es allerdings auch bereits im letzten Jahrtausend. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 zwar die „Kleinbetriebsklausel“ des § 23 KSchG für verfassungsgemäß erklärt. Gleichwohl ist im Lichte des Art. 12 GG auch in Kleinbetrieben mithilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln ein Mindestmaß an Kündigungsschutz sicherzustellen, um Arbeitnehmer vor Diskriminierung und Willkür zu schützen. Da diese Fälle bislang nur selten ihren Weg bis zum BAG gefunden haben, gibt es in der Praxis insoweit nach wie vor einen gewissen Graubereich, wann eine solche Kündigung ggf. treuwidrig oder unsachlich und damit unwirksam ist.

Etwas mehr Licht bringt eine Entscheidung des 2. Senats aus dem letzten Monat (BAG v. 5. Dezember 2019 – 2 AZR 107/19), deren Entscheidungsgründe nunmehr vorliegen. Sie betraf eine ursprünglich außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Beim BAG stand lediglich die ordentliche Kündigung noch zur rechtlichen Ãœberprüfung an.

Die damaligen Ausgangsthesen des Bundesverfassungsgerichts, dass kleine Teams anfällig für Missstimmungen und Querelen seien und dort das Vertrauensverhältnis zu jedem der Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert habe, schienen sich durchaus auch im vorliegenden Sachverhalt wieder zu finden. Zudem waren neben Art. 12 mit Art. 5, Art. 6 und Art. 13 GG für den 2. Senat fast eine ganze Handvoll Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich zu bringen.

So hatte dort die nach dem Urteil als „Nanny bei der Beklagten tätige Klägerin“ gegenüber einer zukünftigen Kollegin geäußert, dass die Beklagte eigentlich nie zu Hause sei. Und wenn dies der Fall sei, esse sie ohnehin nur Schokolade mit Ihrer Tochter.

Offen blieb am Ende gleichwohl, ob all dies im „Kern wahr“ und daher „grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt war“. Für den 2. Senat war dies nicht vor Relevanz, waren auf Seiten der Beklagten der durch Art. 13 GG besonders geschützte Bereich der räumlichen Privatsphäre und das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschütze elterliche Erziehungsrecht ebenfalls zu berücksichtigen. Die ordentliche Kündigung war aus Sicht des 2. Senats daher wirksam.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Wertungen nunmehr einer verfassungsrechtlichen oder gar europarechtlichen Prüfung unterzogen werden.

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