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Zustellung einer Kündigung bei Einwurf in den Hausbriefkasten bis 17.00 Uhr

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Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil v. 14.12.2018 (9 Sa 69/18) entschieden, dass eine bis 17.00 Uhr in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfene Kündigung am selben Tag zugeht. Dann beginnt die Frist des § 4 KSchG an diesem und nicht am nächsten Tag zu laufen.

Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (BAG 22.03.2012 – 2 AZR 224/11). Auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers ist nicht abzustellen, weil im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung geboten ist (BAG a.a.O.).

Die Rechtsprechung des BAG zur Frage des Zugangs durch Einwurf in den Briefkasten ist unscharf. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG ist bei Hausbriefkästen mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die stark variieren können. In dem vom LAG entschiedenen Fall wird in dem elsässischen Dorf, in dem der Arbeitnehmer wohnt, die Postzustellung bis 11.00 Uhr vormittags beendet. Dann hätte der um 13.25 Uhr erfolgte Einwurf in den Hausbriefkasten nicht mehr zum Zugang am gleichen Tag geführt und die Kündigungsschutzklage wäre nicht verfristet gem. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1, § 7 1. Halbs. KSchG gewesen.

Das BAG will generalisierend betrachten, andererseits stellt es doch recht konkretisierend darauf ab – wie das LAG zu Recht ausführt – dass der Zeitpunkt der nächsten Entnahme, die sich von der Postzustellung ableitet, maßgeblich ist. Das ist für Arbeitgeber je nach örtlichen Ãœblichkeiten und insbesondere vor dem Hintergrund der „veränderten“ Dienstleistungsqualität der Deutschen Post kaum vorhersehbar.

Bereits das LAG Berlin-Brandenburg (v. 11.06.2010 – 6 Sa 747/10) und das LAG München (02.02.2011 – 11 Sa 17/10) hatten im großstädtischen Bereich einen Zugang bei Einwurf eines Kündigungsschreibens bis 18.00 Uhr befürwortet. Das sieht auch Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. 2017, § 130 BGB, Rz. 6 so, allerdings mit der Bemerkung „sehr str„. Auch die arbeitsrechtliche Fachliteratur stellt mit Blick auf die Veränderung der Servicequalität und die Liberalisierung des Postdienstleistungsverkehrs teilweise nicht mehr auf die üblichen Zustellzeiten der Deutschen Post ab (so KR-Klose, 12. Aufl. 2019, § 4 KSchG, Rn. 145 m.w.N.).

Das LAG Baden-Württemberg stellt nicht mehr auf die Postzustellzeiten ab. Es geht hinsichtlich der Erwerbstätigkeit eines erheblichen Teils der Bevölkerung bei der Bemessung der „gewöhnlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten des Verkehrs“ davon aus, dass der Arbeitnehmer nach dem Ende seiner Arbeit an seinem Wohnort den Briefkasten leert und ihm daher zu diesem Zeitpunkt die bis dahin eingeworfenen Schriftstücke zugehen. Zwar gäbe es auch für diesen Zeitpunkt keine eindeutig bestimmte Uhrzeit. „Im Interesse der Rechtssicherheit für den Erklärenden und zur Begrenzung der Belastungen des Erklärungsempfängers ist die Festlegung der Uhrzeit von 17.00 Uhr an Werktagen als maßgeblicher Zeitpunkt, mit dem zu einer Kenntnisnahme am Tag des Eingangs gerechnet werden kann, angemessen.“

M.E. gilt dies aber nicht am Werktag Samstag, weil dort regelmäßig nicht gearbeitet wird. Hier wird man – gewohnheitsrechtlich – auf den Zeitpunkt 11.00 Uhr abstellen müssen.

Eine für Arbeitgeber in der „Not“ nutzbare Entscheidung, insbesondere wenn es um die Einhaltung von Kündigungsfristen – sei es für die ordentliche oder außerordentliche Kündigung – geht. Man wird sich darauf aber nicht verlassen können, so dass ich weiterhin empfehle, bis morgens gegen 11.00 Uhr zuzustellen. Umgekehrt sollten wir in der Beratung von Arbeitnehmern die dreiwöchige Kündigungsschutzklagefrist nicht bis zum letzten Tag ausreizen, weil die Rechtsprechung möglicherweise durch die Entscheidungen der drei LAG’s im Fluss sein könnte. Wir dürfen auf die Bewertung im anhängigen Revisionsverfahren 2 AZR 111/19 (Termin 22.8.2019) gespannt sein.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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