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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Arbeitgeber können E-Mails der Arbeitnehmer überwachen

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Der EGMR hat in einer Entscheidung vom 12.1.2016 (Beschwerde Nr. 61496/08) in der Angelegenheit Barbulescu/Rumänien zu Art. 8 EGMR entschieden, dass Arbeitgeber E-Mails von Arbeitnehmern kontrollieren können. Der Yahoo-Messenger von Herrn Barbulescu war vom Arbeitgeber zwischen dem 5. und 13. Juli 2007 überwacht worden. Die Aufzeichnungen hatten private Nutzungen ausgewiesen, die Inhalte des Gesundheits-, Beziehungs- und Geschlechtslebens und weitere Korrespondenz zu seinem Bruder und zur Verlobten zum Gegenstand hatten.

Der Arbeitgeber hatte in seinem Betrieb strikt verboten, Computer, Fotokopierer, Telefone, Telex und Faxmaschinen für persönliche Zwecke zu nutzen. Aufgrund der nachgewiesenen Privatnutzung war das Arbeitsverhältnis zu Herrn Barbulescu gekündigt worden.

Mit Blick auf die vertragswidrige Privatnutzung hatte das Appellationsgericht Bukarest am 17.08.2008 entschieden, dass die Erwägungen des Arbeitgebers sachgerecht gewesen seien, zum Schutz der Disziplin  – aber auch der Unternehmensgegenstände – die Ãœberwachung über Yahoo-Messenger durchzuführen, um festzustellen, ob das Verbot der Privatnutzung von Computern eingehalten worden sei. Dies sei ein legitimes Ziel und die Ãœberwachung sei auch in einer ausgewogenen Balance zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers und dem Ãœberwachungsinteresse des Arbeitgebers, das Funktionieren seines Unternehmens sicherzustellen, erfolgt. Das stimme schließlich mit dem nationalen rumänischen Recht überein, das zudem die Ziele der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EC angemessen umsetze (Rz. 16, 18 der Entscheidungsgründe).

Herr Barbulescu hatte dann in seiner Beschwerde zum EGMR geltend gemacht, diese Auslegung durch das Appellationsgericht Bukarest und die Kündigung des Arbeitsvertrages verstießen gegen Art. 8 EGMR. Nach Art. 8 Abs. 1 EGMR hat jeder das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, seines Hauses und seiner Korrespondenz. Eine Behörde darf in dieses Recht nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und wenn dies dem Schutz der demokratischen Gesellschaft, der nationalen und öffentlichen Sicherheit oder dem wirtschaftlichen Wohl des Landes oder der Verhütung von Straftaten, des Schutzes der Gesundheit oder der Moral, des Schutzes des Rechts und der Freiheit dient (Art. 8 Abs. 2 EGMR).

Im Ergebnis stellt der EGMR fest, es sei berechtigt und nicht unbillig, die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers während der Arbeitszeit zu überprüfen, der Arbeitgeber könne sich aus Gründen berechtigten Interesses (dazu Rz. 44 der Entscheidungsgründe) in einem Arbeitsgerichtsstreit auch zur Darlegung eines Vertragsverstoßes auf Transskription der E-Mail-Korrespondenz bzw. Yahoo-Messenger-Korrespondenz berufen. Dies sei eine zulässige Verwertung.

Außerdem sei es so (Rz. 57), dass der Arbeitgeber aufgrund des Verbots der Privatnutzung davon ausgehen durfte, dass Herr Barbulescu den Yahoo-Messenger nur dienstlich genutzt habe. Der Arbeitgeber habe also nicht vorsätzlich ein Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Interessen von Herrn Barbulescu und des Arbeitgebers seien in einen angemessenen Ausgleich gebracht worden. Im Ergebnis ist die Kontrolle der Internet-Nutzung des Arbeitnehmers und die daraus folgende Kündigung vom EGMR als gerechtfertigt angesehen worden. Ein Beitrag zur Diskussion um Verwertungsverbote im Arbeitsgerichtsverfahren?

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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