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ArbRB-Blog

Vergütung von Betriebsräten: Das hohe Tempo des Gesetzgebungsverfahrens und die Auswirkungen auf Strafrechtsurteile

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Die Bundesregierung hat beim Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ein hohes Tempo vorgegeben. Bereits am 3. November 2023 gelangte nach dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. November 2023 der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes zum Bundesrat (BR Drs. 564/23 vom 3.11.2023). Aus einer Fußnote ist erkennbar, dass es sich um eine besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG handelt. Demnach kann die Bundesregierung eine Vorlage, die sie bei der Zuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen oder, wenn der Bundesrat ein Verlangen nach Art. 76 Abs. 2 Satz 3 GG geäußert hat, nach sechs Wochen dem Bundestag zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist; sie hat die Stellungnahme des Bundesrates unverzüglich nach Eingang dem Bundestag nachzureichen. Ergänzend findet sich deshalb in einer weiteren Fußnote des Gesetzentwurfs ein Fristablauf, der mit dem 15.12.2023 datiert ist. Es ist folglich nicht auszuschließen, dass die angestrebten Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes bereits Anfang Januar 2024 in Kraft treten.

Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, welche Auswirkungen es strafrechtlich hat, wenn die Gesetzesänderungen bereits kurzfristig in Kraft treten:

Bekanntlich hat der BGH entschieden, dass der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot i.S.d. § 78 Satz 2 BetrVG einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt (BGH, Urt. v. 10.1.2023 – 6 StR 133/22, ArbRB 2023, 108 [Grimm]). Es hat deshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen. Für die Angeklagten eines großen Automobilkonzerns kann allein diese Entwicklung in der Gesetzgebung dazu führen, dass sie freizusprechen sind.

Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach § 2 Abs. 1 StGB nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, allerdings vor der Entscheidung geändert, so ist nach § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden.

Nun ist zwar der Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1 StGB unverändert, geändert werden aber die Vorschriften im Betriebsverfassungsgesetz aus denen die Untreue abgeleitet werden könnte, nämlich § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 BetrVG. Zieht man diese zu ändernden Vorschriften heran, erhöhen sich die Chancen der Angeklagten, straffrei zu bleiben. Dies beruht auf den unbestimmten Rechtsbegriffen, die die Gesetzesänderungen im Betriebsverfassungsgesetz enthalten sollen. Insbesondere sieht bekanntlich § 78 Satz 3 BetrVG n.F. vor, dass eine Begünstigung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Mitglied des Betriebsrats in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Bedenkt man außerdem, dass es nach der Gesetzesbegründung sachlich gerechtfertigt sein kann, bei einer Stellenbesetzung auch die durch und während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind, eröffnet dies den Betriebsparteien einen erheblichen Ermessensspielraum (vgl. BT Drs. 564/323 S. 8). Im Zweifel kann dies für die Angeklagten sprechen (s. zum Untreuetatbestand bei überhöhten Betriebsratsvergütungen bereits ausf. Jacobs/Kreil, RdA 2023, 193 ff., Niklas/Dienst, ArbRB 2023, 145 ff., Kudlich/Scheuch/Thüsing, ZIP 2023, 609 ff.).

Es wird deshalb spannend sein, wie das Landgericht Braunschweig das Verhältnis des § 2 Abs. 3 StGB zu den geänderten Vorschriften im Betriebsverfassungsgesetz sieht, wenn tatsächlich die Gesetzesänderungen kurzfristig in Kraft treten.

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