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ArbRB-Blog

Aktuelles zum Abberufungs- und Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern

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Bei Betriebsratsmitgliedern geht der Sonderkündigungsschutz im Vergleich zu anderen „Betriebsbeauftragten“, wie etwa den Datenschutzbeauftragten, besonders weit. Es bedarf nicht nur eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung, sondern der Betriebsrat als Gremium muss auch noch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines seiner Mitglieder zustimmen (§§ 15 Abs. 1 KSchG, 103 Abs. 1 BetrVG). Verweigert das Gremium die Zustimmung, muss der Arbeitgeber deren Ersetzung beim Arbeitsgericht beantragen.

Wichtig! Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren bleibt nicht nur das Arbeitsverhältnis aktiv bestehen, sondern auch das Betriebsratsamt. Grundsätzlich besteht also sowohl ein Beschäftigungsanspruch als auch ein Amtsausführungsanspruch. Wird der Arbeitnehmer nicht beschäftigt, muss der Arbeitgeber in einem eventuellen Eilverfahren die Gründe glaubhaft machen, die ausnahmsweise das Nichtbeschäftigungsinteresse überwiegen lassen. Will er die Amtsausführung verhindern, muss er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren auf ein vorläufiges Verbot der Amtsausübung stellen (Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 5. Aufl. 2022, K 19).

Das Zustimmungserfordernis gilt allerdings nur während der aktiven Mitgliedschaft im Betriebsrat. Der nachwirkende Kündigungsschutz wird nur dadurch bewirkt, dass die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.

Der besondere Kündigungsschutz gilt auch für Wahlbewerber. Er beginnt mit dem Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags und besteht bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Aufgestellt ist der Wahlvorschlag, wenn er die erforderliche Zahl an Stützunterschriften aufweist. Für den Beginn des Kündigungsschutzes ist es nicht erforderlich, dass der Wahlvorschlag auch bereits beim Wahlvorstand eingereicht ist; es muss jedoch ein Wahlvorstand bestellt sein. Der Wahlvorstand muss das Wahlausschreiben auch nicht erstellt haben und die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen muss noch nicht begonnen haben. Ausreichend ist die Einleitung des Wahlverfahrens, das mit der Bestellung des Wahlvorstands beginnt. Wenn ein Wahlvorschlag erstellt und sogar beim Wahlvorstand eingereicht wurde, beeinträchtigt auch die spätere Rücknahme von Unterschriften deren Wirksamkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 WO nicht, weil der Schutzzweck des § 103 BetrVG und der des § 15 Abs. 3 KSchG es gebieten, dem Wahlbewerber im Fall des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WahlO den einmal erworbenen (zeitlich befristeten) besonderen Kündigungsschutz zu belassen (LAG Berlin-Brandenburg v. 2.8.2022 – 26 Ta 1743/21).

Das BAG hat entschieden, dass § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG nicht lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist. Das Zustimmungserfordernis gilt nur für die arbeitgeberseitige Kündigung, nicht für die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Bei der Entscheidung über einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag ist für die Frage, ob „ein Verhalten aus der Zeit des Bestehens von Sonderkündigungsschutz allein oder zusammen mit weiteren Umständen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, zu prüfen, inwiefern die Gründe mit der Amtsausübung im Zusammenhang stehen und deshalb möglicherweise keinen oder nur einen bedingten Schluss auf die Erwartbarkeit einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis zulassen“ (BAG v. 27.9.2022 – 2 AZR 92/22). Hier zeigt sich wieder die Differenzierung zwischen einem Fehlverhalten in Bezug auf Pflichten aus dem Arbeitsvertrag auf der einen Seite und in Bezug auf das Amt auf der anderen Seite.

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