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Verjährung und Ausschlussfrist: Entwarnung für Arbeitgeber bei der Urlaubsabgeltung

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Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass Arbeitnehmer ihren gesetzlichen und ggf. über- gesetzlichen Erholungsurlaub nicht über mehrere Jahre ansparen können. Ansonsten müssen sie nicht nur Rückstellungen bilden, sondern werden sie auch in ihrer Personaldisposition erheblich eingeschränkt. Diesem Interesse dienen gesetzliche Verjährungsvorschriften und tarifvertragliche Ausschlussfristen.

Ausgangslage: Verjährung und Ausschlussfrist beim Erholungsurlaub

In Umsetzung einer Entscheidung des EuGH vom 22.9.2022 – C-120/21 (ArbRB 2022, 322 [Steffan]) ist das BAG zwar in einem Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20 – zum Ergebnis gekommen, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Außerdem erlischt nach einer Entscheidung des Gerichts vom selben Tag – 9 AZR 245/19 – der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen.

Das Risiko für Arbeitgeber

Infolge dieser Entscheidungen besteht für Arbeitgeber das Risiko, dass sie Urlaub aus vielen früheren Jahren der Tätigkeit noch nachgewähren müssen. Vor diesem Hintergrund ist von großem Interesse, ob Urlaubsabgeltungsansprüche ebenfalls nur dann Ausschlussfristen und Verjährungsfristen unterliegen, wenn ein Arbeitgeber entsprechenden Hinweisobliegenheiten nachgekommen ist.

Entwarnung für Arbeitgeber bei der Urlaubsabgeltung

In zwei neuen Entscheidungen hatte das BAG nun Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach einem Urteil des BAG vom 31.1.2023 – 9 AZR 244/20 – nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Allerdings gewährt das Gericht Arbeitnehmern eine Art Vertrauensschutz vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 – C-684/16. In dieser Entscheidung hat das Gericht neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgesehen. Erst ab dem Zeitpunkt dieser Entscheidung musste nach Ansicht des BAG ein Arbeitnehmer davon ausgehen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. Folglich beginnen tarifvertragliche Ausschlussfristen erst ab dem 6.11.2018.

Ähnlich hat das BAG in einer weiteren Entscheidung vom selben Tag – 9 AZR 456/20 – geurteilt. Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt demnach auch der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt zwar in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Hat das Arbeitsverhältnis allerdings vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 geendet und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, beginnt die Verjährung nicht vor dem Ende des Jahres 2018.

Die Risikoabwägung für Arbeitgeber

Arbeitgeber sollten nun prüfen, für welche Arbeitnehmer restliche Urlaubsansprüche aus einer Zeit vor 2019 bestehen können. Sodann ist festzustellen, ob tarifvertragliche Ausschlussfristen einschlägig sind. Bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit eventuellen Urlaubsabgeltungsansprüchen muss sodann ermittelt werden, ob diese tarifvertraglichen Ausschlussfristen bereits abgelaufen sind. Besteht keine Rechtsgrundlage für tarifvertragliche Ausschlussfristen, ist gesondert festzustellen, ob zumindest die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende greift.

Bei Arbeitnehmern, mit denen noch ein Arbeitsverhältnis besteht und bei denen restliche Urlaubsansprüche aus früheren Jahren vorhanden sind, ist abzuwägen, ob man diese restlichen Urlaubsansprüche mit in die entsprechenden Hinweisschreiben aufnimmt oder ob man dies in der Hoffnung unterlässt, dass diese restlichen Urlaubsansprüche nach einem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund von tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen oder – wenn diese nicht greifen – verjähren.

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