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Serie bAV | Betriebsrente: Was der Gesetzgeber wirklich will…

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Alle drei Jahre muss der Arbeitgeber gemäß § 16 BetrAVG prüfen, ob die laufende Betriebsrente an die Teuerungsrate anzupassen ist und darüber nach billigem Ermessen entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Versorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird. Allerdings sah § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung eine Ausnahme vor: Eine Anpassungsprüfung war nicht notwendig, wenn ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden und bei Berechnung der garantierten Leistungen der nach der Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen (DeckRV) festgesetzte Höchstzinssatz nicht überschritten wird. Die DeckRV trat am 16.05.1996 in Kraft. Mit Urteil vom 30.09.2014 (3 AZR 617/12) entschied das BAG, dass schon bei der Berechnung der garantierten Leistungen der Höchstzinssatz nicht überschritten werden dürfe. Da dieser aber mit Inkrafttreten der DeckRV erstmals festgelegt worden sei, könne sich der Arbeitgeber bei einer vor dem 16.05.1996 erteilten Versorgungszusage auf die Ausnahmeregelung nicht berufen; und zwar unabhängig davon, ob die von der Pensionskasse angewendeten und aufsichtsrechtlich sogar genehmigten Zinssätze unter dem ab dem 16.05.1996 festgelegtem Zinssatz nach der DeckRV lagen.

Das hatte zur Folge, dass sich Arbeitgeber unverhofft mit einer Anpassung der Pensionskassenleistungen konfrontiert sahen, obwohl sie sich diesbezüglich wegen der Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 3 Nr 2 BetrAVG in Sicherheit wähnten. Das unerwünschte Ergebnis korrigierte der Gesetzgeber ungewöhnlich schnell: Schon zum 01.01.2016 strich er im Gesetzestext die Notwendigkeit, den nach der DeckRV zu beachtenden Höchstzinssatz zu beachten. Mit Urteil vom 16.12.2016 (3 AZR 342/15) hat das BAG nun einen Kontrapunkt gesetzt. Es entschied, dass § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung nicht auf Anpassungsstichtage anzuwenden ist,  die vor Inkrafttreten der neuen Gesetzesfassung liegen. Das Ergebnis ist für die betroffenen Arbeitgeber einigermaßen katastrophal. Denn sie müssen nun u.U. Anpassungen vornehmen, für die sie keine Vorkehrungen getroffen und für die sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG unmittelbar einzustehen haben. Damit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber tatsächlich nur für künftige Anpassungsstichtage eine Neuregelung treffen wollte. Die breiten Ausführungen dazu im Urteil vom 16.12.2016 überzeugen nicht ohne weiteres. So räumt das BAG ein, dass die ursprüngliche Entwurfsfassung noch auf „künftige“ Anpassungsprüfungen gezielt habe, dieses Wort aber auf Anregung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung gestrichen worden sei. Diese hatte nämlich eine Rückwirkung der Neuregelung angestrebt. Letztlich ließ sich das BAG nicht überzeugen. Vielleicht hätte schon die ungewöhnlich schnelle Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BAG vom 30.09.2014 ein deutlicher Fingerzeig dafür sein können, was wirklich gewollt war. Es bleibt abzuwarten, ob es dem Gesetzgeber in der schwierigen Zeit des Vorwahlkampfes abermals gelingt, sich zu einer Korrektur der Rechtsprechung aufzuraffen.

Hinweis der Redaktion:
Die Serie wird fortgesetzt. Bereits erschienen ist der Beitrag „Betriebsrenten stärken„.

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RA FAArbR Dr. Johannes Schipp ist Partner und Namensträger der überregional tätigen Arbeitsrechtspraxis Tschöpe/Schipp/Clemenz in Gütersloh. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitherausgeber des Loseblattwerks Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung (Hrsg. Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker) und Mitautor des Arbeitsrecht Kommentars (Hrsg. Henssler/Willemsen/Kalb).

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