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ArbRB-Blog

Neuer Streitwertkatalog Arbeitsrecht 2016 – tatsächlich leider nichts Neues

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Der bisherige Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit aus dem Jahr 2014 führt in der Vorbemerkung aus, dass er keine Verbindlichkeit beansprucht und dieser auch künftig weiterentwickelt werden soll.  Er hat seitens der Anwaltschaft umfangreiche Kritik erfahren.  Auch die Rechtsprechung folgt teilweise den Vorschlägen des Streitwertkataloges nicht (z.B. LAG Köln, ArbRB 2015, 302, Hessisches LAG, ArbRB 2014, 236, jeweils zum Annahmeverzugslohn; Arbeitsgericht München, ArbRB 2016, 108 zu mehreren Abmahnungen und begehrten Widerruf; LAG Hamburg – 6 Ta 29/15 zum Vergleichsmehrwert bei Vereinbarung einer Freistellung). Eine der wesentlichen Kritikpunkte am Streitwertkatalog ist, dass § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG für das Individualarbeitsrecht eine „Leitnorm“ darstellen, sich also auf alle Streitwerte auswirken soll. Zutreffend ist dies jedoch eine Streitwertbegrenzungsklausel, die nur für Bestandsstreitigkeiten gilt (LAG München, ArbRB 2013, 116). Mit Ausnahme der Regelungen der § 42 Abs. 1, 2 GKG bemisst sich der Streitwert nach § 3 Halbsatz 1 ZPO. Auch der Praxiskommentar zum Streitwertkatalog Arbeitsrecht (Schäder/Weber) setzt sich intensiv mit den einzelnen Vorschlägen und den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinander und stellt in vielen Punkten fest, dass die Vorschläge nicht überzeugend sind und teilweise nicht den gesetzlichen Regelungen entsprechen; gleichzeitig werden konkrete Vorschläge einer möglichen Bewertung unterbreitet.

Dennoch wurde auf der 78. Präsidentenkonferenz ein neuer Streitwertkatalog vom 5. April 2016 beschlossen, der nach der eigenen Mitteilung der Vorsitzenden der Streitwertkonferenz nur „gewisse Klarstellungen und Ergänzungen“ beinhaltet. Bei Durchsicht des überarbeiteten Kataloges bestätigt sich dies leider. Dieser enthält im Wesentlichen folgende Änderungen:

  • In der Vorbemerkung wird ausgeführt, dass die Aussagen des Kataloges nur verfahrensbezogen zu sehen sind und nicht verfahrensübergreifend eingreifen.
  • In I. 6  (Annahmeverzug) wird nun nur noch auf die „Klagehäufung“ und die „Annahmeverzugsvergütung“ abgestellt.
  • I. 22 Pkt. 1: Hier werden die Beispiele nun nummeriert und Ergänzungen vorgenommen (z.B. dass die Turbo- oder Sprinterklausel nicht zu einem Vergleichsmehrwert führen soll);  inhaltliche Änderungen erfolgen tatsächlich nicht.
  • I. 23 und 24 (Weiterbeschäftigungsantrag und Wiedereinstellungsanspruch) werden aus alphabetischen Gründen getauscht.
  • II. 2.2. (Betriebsratswahl),  8. 2 (Freistellung eines Betriebsratsmitglieds),  9.1 (Informations- und  Beratungsansprüche), 10. (Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten), 16. 1 und 16. 2 (Zuständigkeitstreitigkeiten/Kompetenzabgrenzung) enthalten nun die explizite Ausführung, dass vom Hilfswert auszugehen ist.
  • II. 13. 7 ergänzt bei personellen Einzelmaßnahmen, Massenverfahren, dass es sich dabei um eine objektive Antragshäufung handeln muss.

Entgegen der Ankündigung ist der Streitwertkatalog tatsächlich nicht weiterentwickelt worden, sondern inhaltlich nahezu identisch. Die sachlich fundierte Kritik aus der Rechtsanwaltschaft und aus den eigenen Reihen der Richter findet sich an keiner Stelle des neuen Katalogs wieder, so dass er tatsächlich nichts Neues enthält. Auch der neue Streitwertkatalog 2016 enthält in der Vorbemerkung die bisherige Ausführung, dass auch dieser weiter entwickelt werden soll. Dies muss leider bezweifelt werden. Es verbleibt allein die Hoffnung, dass zukünftig eine intensivere Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen erfolgt und die Vorschläge tatsächlich auch inhaltlich Änderungen erfahren. Auch wenn die Praxis „einfache Lösungen“ wünscht, entbindet dies die Gerichte nicht von den gesetzlichen Vorgaben und dem bei der Festsetzung des jeweiligen Streitwertes von diesen auszuübenden Ermessen. Auch die Tatsache, dass sich die Rechtsschutzversicherung sehr gerne auf die Vorschläge des Streitwertkataloges berufen und sogar teilweise darauf verweisen, dass ein Gericht entsprechend dem Streitwertkatalog festsetzen muss, zeigt, dass die Vorschläge nicht überall ausgewogen sind. Auch ist leider in der Praxis festzustellen, dass trotz der Ausführungen im Vorwort, dass es sich nur um Vorschläge handelt und der Katalog keinerlei Verbindlichkeit besitzt, teilweise sowohl Gerichte als auch die genannten Rechtsschutzversicherungen faktisch eine solche Verbindlichkeit annehmen wollen. Dies entspricht zwar nicht den gesetzlichen Vorgaben, macht es jedoch einfach. Nicht immer ist das Einfache auch das Richtige.

Zur Vertiefung seien folgende Materialien empfohlen:

Dr. Gerhard Schäder, Fachanwalt für Arbeitsrecht

dsp. Dr. Schäder + Partner Rechtsanwälte mbB, München

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