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„Nicht lernfähig, nicht einsetzbar und absoluter Risikofaktor“ – zulässige Beurteilung oder unzulässige Schmähkritik?

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In einer internen Beurteilung aus Anlass des bevorstehenden Ablaufs einer Probezeit wurden zum einen in einer tabellarischen Aufstellung die „Sorgfalt“ und das „Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Kunden“ jeweils mit „ausreichend“ und die Kategorien „Arbeitstempo“, „Geschicklichkeit“, „Fachkenntnisse“, „Verhalten gegenüber Vorgesetzten“ und „Verhalten gegenüber Arbeitskollegen“ jeweils mit „mangelhaft“ bewertet. Zum anderen hieß es unter der vom Beklagten unterschriebenen Rubrik „Bemerkungen“:

„Herr E. ist nicht lernfähig. In der B1. so nicht einsetzbar. Absoluter Risikofaktor.“ Die gegen die daraufhin während der Probezeit ausgesprochene Kündigung gerichtete Klage war erfolglos. Herr E., der Kläger, verlangte vom Beklagten die Unterlassung der wiedergegebenen „Bemerkungen“.

Wenn eine Äußerung sowohl einen tatsächlichen Gehalt als auch einen wertenden Charakter hat, hängt ihre rechtliche Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung davon ab, ob der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt, oder ob das nicht der Fall ist. Eine Schmähkritik liegt noch nicht bei einer überzogenen oder gar ausfälligen Kritik vor. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung muss jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Das LAG Baden-Württemberg sah die Bemerkungen weder als Tatsachenbehauptung noch als Schmähkritik, sondern als zulässige Beurteilung (Meinungsäußerung) an (LAG Baden-Württemberg vom 27.08.2014 – 13 Sa 39/14, ArbRB online).

Szenenwechsel: Wenn ein Arbeitnehmer Annahmeverzugsvergütung geltend macht, wendet der Arbeitgeber bisweilen ein, dass der Arbeitnehmer nicht leistungsbereit gewesen sei. Bekanntlich ist der subjektive Leistungswille eine Voraussetzung für den Annahmeverzug. Stellt die prozessuale Erklärung, der Arbeitnehmer sei nicht leistungswillig gewesen, die Behauptung einer Tatsache i.S.v. § 373 ZPO dar und löst sie damit die sekundäre Darlegungslast des Arbeitnehmers aus oder muss der Arbeitgeber zusätzlich äußere Indiztatsachen vortragen? Genügt es, dass diese äußeren Tatsachen das Fehlen der inneren Tatsache der Leistungsbereitschaft möglich erscheinen lassen, oder muss das Gericht unter Zugrundelegung dieser Tatsachen i.S.v. § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt sein, dass der Arbeitnehmer nicht leistungswillig war? Muss das Gericht in diesen sowie anderen Fällen der abgestuften Darlegungslast nach § 139 ZPO konkrete Hinweise erteilen? Immerhin will § 139 ZPO im Interesse einer gerechten und sachgemäßen Entscheidung Vorsorge treffen, dass nicht ein bloßes Versehen oder Ãœbersehen, eine falsche rechtliche Beurteilung des Sachverhalts oder ein in sich unklares Vorbringen den Parteien zum Nachteil gereicht (BAG vom 23.8.1956 – 2 AZR 405/55, AP § 139 ZPO Nr.1). Beruht eine Entscheidung darauf, dass die Ausübung der in § 139 ZPO statuierten Frage- und Aufklärungspflicht aus Erwägungen verneint worden ist, die bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind, so kann das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot verletzt sein (BVerfG 24.3.1976 – 2 BvR 804/75, MDR 1976, 820).

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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