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Neues zur Frage: wer ist Arbeitnehmer?

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Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. Diese auf Alfred Hueck zurückgehende „Definition“ prägt auch heute noch im Kern jedenfalls den Teil der Arbeitsrechtsordnung, der nicht unionsrechtlich geordnet ist. Jedoch geht das nationale Recht teilweise andere Wege, indem es z.B. in § 5 Abs. 1 BetrVG zwar von diesem allgemeinen Arbeitnehmerbegriff ausgeht, ihn jedoch teilweise erweitert oder einschränkt. Oder indem es wesentliche Bestimmungen des Betriebsrentenrechts nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG auf Personen, denen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind, für entsprechend anwendbar erklärt.

Im Unionsrecht sowie im harmonisierten nationalen Arbeitsrecht ist nicht alles anders. Denn teilweise verweisen Richtlinien explizit auf das mitgliedsstaatliche Rechtsverständnis. So ist beispielsweise Arbeitnehmer  nach Art. 2 der Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft eine Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat als Arbeitnehmer aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts und entsprechend den einzelstaatlichen Gepflogenheiten geschützt ist.  Jedoch geht das Unionsrecht teilweise auch eigene Wege, wie die Entscheidungen des EuGH in den Fällen Danosa (Urteil vom 11.11.2010 – C-242/09) zum Arbeitnehmerbegriff sowie Albron Catering (Urteil vom 21.10.2010 – C-242/09) zum Arbeitgeberbegriff zeigen.

Das hat das Arbeitsgericht Verden veranlasst, dem EuGH zur Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG zwei Fragen vorzulegen (Beschluss vom 6.5.2014 – 1 Ca 35/10). Zum einen will es wissen, ob Art. 1 Abs. 1 a) dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass es nationalen gesetzlichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, die bei der in dieser Vorschrift vorgesehenen Berechnung der Beschäftigtenzahl ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft unberücksichtigt lassen, auch wenn es seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält und selbst keine Anteile an der Gesellschaft besitzt. Zweitens will es geklärt haben, ob dieselbe Bestimmung dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl als Arbeitnehmer auch diejenigen Personen mitzuzählen sind, die ohne Vergütung durch den Arbeitgeber, jedoch finanziell gefördert und anerkannt durch die für Arbeitsförderung zuständigen öffentlichen Stellen, praktisch mitarbeiten, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren (Praktikant).

Eine nochmals andere Perspektive liegt einer Entscheidung des EuGH zum Arbeitnehmerbegriff des Art. 45 AEUV, der die Freizügigkeit der Bürger der Union garantiert, zugrunde (Urteil vom 19.6.2014 – C-507/12 Saint Prix). Danach kann eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes vorübergehend aufgibt, die „Arbeitnehmereigenschaft“ im Sinne dieser Vorschrift behalten, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet. Der Umstand, dass sie dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats während einiger Monate tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, bedeute nämlich nicht, dass sie während dieser Zeit nicht weiterhin in den betreffenden Arbeitsmarkt eingegliedert gewesen sei, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt des Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Beschäftigung findet.

Zur weitergehenden Lektüre empfohlen seien auch die Beiträge von G. Forst zu den Begriffen „Arbeitnehmer – Beschäftigte – Mitarbeiter“ (RdA 2014, 157) sowie von Linsenmeier/Kiel zum „Leiharbeitnehmer in der Betriebsverfassung“ (RdA 2014, 135).

RA FAArbR Axel Groeger
www.redeker.de

 

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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