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Grenzüberschreitende Insolvenz und deutsches Arbeitsrecht

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Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen und Unternehmensgruppen und deren Arbeitnehmer gewinnen Fragen der Auswirkung ausländischen Insolvenzrechts  auf das deutsche Arbeitsrecht zunehmend an Bedeutung. Sowohl die immer weiter voranschreitende Globalisierung wirtschaftlicher Beziehungen als auch die weltweite Wirtschaftskrise sind Ursache dessen.

Eine Frage, die sich vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren nach § 343 InsO stellt, lautet, wann überhaupt ein ausländisches Insolvenzverfahren vorliegt.  Als ein solches Verfahren werden Auslandsverfahren nicht völlig schrankenlos anerkannt, sondern nur, wenn damit in etwa die gleichen Ziele verfolgt werden wie mit den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Verfahren. Das deutsche internationale Insolvenzrecht zeichnet sich aber dennoch durch eine große Offenheit aus. Deswegen wird z.B. das bereits durch einen Antrag des Schuldners eingeleitete Verfahren nach Chapter 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code als Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens anerkannt (BAG v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, BGH v. 13.10.2009 – X ZR 160/05).

Eine weitere Frage ist, unter welchen Voraussetzungen ein ausländisches Insolvenzverfahren nach deutschem Recht ausnahmsweise nicht anzuerkennen ist. Dies gilt nach § 343 Abs. 1 InsO zum einen, wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind und zum anderen,  soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist. Letzteres ist weder nach dem sog. Chapter 11 Verfahren noch z.B. beim brasilianischen Sanierungsverfahren der Fall (Hessisches LAG v. 4.8.2011 – 5 Sa 1498/10, Revision unter 6 AZR 882/11).

In der Europäischen Union gilt die Verordnung 1346/2000 (EUInsVO). Gemäß Art. 1 Abs. 1 EUInsVO erfasst sie „Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben“. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelfall ist durch den Rechtsanwender nicht zu überprüfen. Art. 2 lit. a i.V.m. Anhang A EUInsVO benennt abschließend für jeden Mitgliedsstaat aus Gründen der Rechtssicherheit die Verfahren, die als Insolvenzverfahren im Sinne der EUInsVO anzusehen sind (LAG Düsseldorf v. 14.7.2011 – 15 Sa 786/10, Revision unter 6 AZR 714/11).

Die prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens gemäß EuInsVO richten sich gemäß Artikel 4 Abs. 1 EuInsVO grundsätzlich nach der lex fori concursus. Zum Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeitsverhältnisse müssen die Wirkungen der Insolvenzverfahren auf die Fortsetzung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie auf die Rechte und Pflichten der an einem Arbeitsverhältnis beteiligten Parteien durch das gemäß den allgemeinen Kollisionsnormen für den Vertrag maßgebliche Recht bestimmt werden. Artikel 10 EuInsVO enthält insoweit eine Sonderanknüpfung an die lex causae „für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis“. Es gilt dort ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, das auf den Arbeitsvertrag anwendbar ist.

Sonstige insolvenzrechtliche Fragen, wie etwa, ob die Forderungen der Arbeitnehmer durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht gegebenenfalls erhalten soll, sollten sich wiederum nach dem Recht des Eröffnungsstaates bestimmen. Art. 10 EuInsVO ist nach Ansicht des BAG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass bei Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts auch ein Administrator nach englischem Recht als Insolvenzverwalter i.S.d. § 125 InsO anzusehen ist und daher einen Interessenausgleich mit Namensliste abschließen kann, dem die Wirkungen des § 125 InsO zukommen (BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 253/11).

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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