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„BEM als Vorstufe zur Kündigung“?

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Nach Auffassung des DGB-Vorstandmitgliedes Annelie Buntenbach würden manche Unternehmen das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) als „Vorstufe zur Kündigung“ sehen. Selten stimme ich mit Gewerkschaften überein. Aber diese Aussage kann in Teilen zutreffen. Wenn man Unternehmer bei Arbeitnehmern mit häufigen oder langen Fehlzeiten fragt, ob sie ein BEM durchgeführt haben, erhält man oft eine abschlägige Antwort. Ich weise dann auf das BEM hin und empfehle, einen entsprechenden Prozess einzuleiten. Das BEM sollte regelhaft durchgeführt werden, damit die Arbeitnehmer das BEM nicht als Vorstufe zur Kündigung empfinden. Insoweit mag man Frau Buntenbach zustimmen.

Die Ausführungen in der DGB-Publikation arbeitsmarktaktuell 1/2016 (PDF-Datei) können dann aber nur noch eingeschränkt Zustimmung erfahren. Richtig dürfte sein, dass den Handelnden durch entsprechende Regeln eine gewisse Sicherheit für die Durchführung des BEM gegeben wird. Wenn dann aber auf diesem Wege die Ausweitung des Kündigungsschutzgesetzes propagiert wird, führt dies zu weit. Auch die Forderung nach einer Gefährdungsbeurteilung als Grundlage eines BEM ist zunächst richtig. § 5 ArbSchG schreibt die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen vor. Aber hier bleibt unklar, ob auch bei bereits vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen möglicherweise eine neue Beurteilung gefordert wird. Eine solche Forderung wäre abzulehnen. Denn auch wenn ein einzelner Arbeitnehmer krank geworden ist, so ist zu berücksichtigen, dass die Gefährdungsbeurteilung arbeitsplatzbezogen ist und mehrere vergleichbare Arbeitsplätze gemeinsam beurteilt werden können (§ 5 Abs. 2 ArbSchG). Und natürlich begegnet uns in diesem Kontext auch wieder die von den Gewerkschaften geforderte Anti-Stress-Verordnung.

Ein positiver Effekt der Ausweitung des BEM wird hingegen nicht erwähnt, weil in der Publikation immer von den Langzeiterkrankten gesprochen wird. Im Falle häufiger Kurzerkrankungen – die es nach meiner Erfahrung auch in der Form der regelmäßigen Erkrankung an Montagen, Freitagen oder im Zusammenhang mit Feiertagen oder Urlaub gibt – würde ein formalisiertes Verfahren ggf. den Druck auf solche Arbeitnehmer erhöhen, die Erkrankungen als Weg zu zusätzlichen freien Tagen sehen.

Also: ein wichtiges Thema, dass auch Unternehmer ernst nehmen müssen. Aber der DGB dürfte mit seinen Forderungen über das Ziel hinausschießen.

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, Magdeburg
www.goehmann.de

RA FAArbR Dr. Stefan Sasse ist Partner bei Göhmann Rechtsanwälte, Magdeburg. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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