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Neues zur Vergütungsanpassung von Betriebsräten

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Die aktuelle Rechtsprechung des BAG bringt etwas Klarheit in ein seit Langem sensibles Thema: die richtige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Entscheidungen vom 20. März 2025 (7 AZR 159/24, 7 AZR 181/24 und 7 AZR 46/24) haben die Maßstäbe konkretisiert, wie Unternehmen gesetzeskonform mit Entgelterhöhungen und Vergleichsgruppen umgehen müssen.

1. Zwei Anspruchsgrundlagen – Zwei Ziele

Für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern sind zwei zentrale Normen zu beachten:

  • 37 Abs. 4 BetrVG: garantiert ein Mindestentgelt im Vergleich zu Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung – eine individuelle Karriereprognose ist nicht zu stellen.
  • 78 Satz 2 BetrVG i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB: schützt vor Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit und kann in bestimmten Fällen einen fiktiven Beförderungsanspruch auslösen – orientiert an der hypothetischen Entwicklung des konkreten Mitarbeiters.

2. Mindestentgeltanspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG

Diese Vorschrift schützt die wirtschaftliche Gleichstellung mit vergleichbaren Beschäftigten im Unternehmen. Vergleichbar sind dabei Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Wahl (bzw. beim Nachrücken als Ersatzmitglied) ähnliche Aufgaben mit vergleichbarer Qualifikation wahrgenommen haben. Eine spätere Freistellung oder Unterbrechung der Amtszeit (z. B. durch Wahlanfechtung) ändert daran nichts. Ebenso ist unerheblich, wenn das Betriebsratsmitglied vor der Wahl – unerheblich aus welchen Gründen und wie lange – keine Arbeitsleistung erbracht hat

Wichtig: Die Vergleichsgruppe muss nicht bei jeder neuen Amtszeit neu bestimmt werden – selbst dann nicht, wenn zwischenzeitlich eine neue Amtszeit beginnt oder eine kurze Unterbrechung vorliegt.

3. Entgeltprüfung und ggf. Entgeltanpassung – laufende Pflicht des Arbeitgebers

  • 37 Abs. 4 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber zur laufenden Überprüfung und ggf. Anpassung der Vergütung, wenn sich die Entgelte der Vergleichsgruppe entwickeln. Die Anpassung erfolgt in Relation, nicht zwingend in absolut gleicher Höhe. Bei kleinen Vergleichsgruppen können nach Ansicht des BAG Durchschnittswerte oder der Median als Maßstab verwendet werden.

4. Wer muss was beweisen?

Das Betriebsratsmitglied trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast, wenn es eine höhere Vergütung verlangt – was ohne Einblick in Gehaltsdaten oft schwierig ist.

Das BAG erkennt deshalb einen Auskunftsanspruch aus § 611a, § 242 BGB i. V. m. § 37 Abs. 4 BetrVG an. Ebenso hält es Erleichterungen bei der Darlegungslast für denkbar.

Der Arbeitgeber wiederum trägt die Beweislast, wenn er eine zuvor gewährte Vergütungserhöhung später korrigieren oder zurücknehmen will.

5.  Datenschutz – Kein Hindernis für Transparenz

Benennung vergleichbarer Arbeitnehmer im Verfahren ist zulässig: Die Offenlegung von Namen und Entgeltdaten im arbeitsgerichtlichen Prozess zur Feststellung der Vergleichsgruppe ist laut BAG mit der DSGVO vereinbar.

6. Der fiktive Beförderungsanspruch nach § 78 Satz 2 BetrVG

Parallel zum Mindestentgeltanspruch kann ein Anspruch auf höhere Vergütung bestehen, wenn das Betriebsratsmitglied ohne seine Betriebsratstätigkeit befördert worden wäre. Maßgeblich ist hier nicht die Vergleichsgruppe, sondern die individuelle hypothetische Entwicklung des Mitarbeiters – z. B. durch besondere Leistung oder persönliche Entwicklung.

Diese Regelung wirkt ergänzend, nicht alternativ zu § 37 BetrVG. Sie kann zu einer höheren Vergütung führen als der Mindestentgeltanspruch nach § § 37 Abs. 4 BetrVG, insbesondere bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die sonst eine höher dotierte Position erhalten hätten.

Auch hier gilt: Die Darlegungs- und Beweislast für die hypothetische Entwicklung liegt beim Betriebsratsmitglied.

Fazit für die Praxis

Für HR ist es wichtig, bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern nicht nur die Mindestanforderungen des § 37 BetrVG im Blick zu behalten, sondern auch mögliche Ansprüche aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG zu prüfen. Transparente Dokumentation von Gehaltsentwicklungen vergleichbarer Arbeitnehmer und ein strukturiertes Eingruppierungssystem sind dabei zentrale Werkzeuge zur Vermeidung rechtlicher Risiken – einschließlich strafrechtlicher Konsequenzen bei Verstößen gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

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