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Zum Verfall von virtuellen Optionsrechten nach Eigenkündigung

avatar  Dr. Julia Schweitzer

In der modernen Arbeitswelt, insbesondere in wachstumsorientierten Start-ups und technologiebetriebenen Unternehmen, gewinnen langfristige Anreizsysteme für Arbeitgeber zunehmend an Bedeutung. Virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Form von Virtual Stock Option Plans (VSOP) sind hierbei ein beliebtes Instrument, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, zu motivieren und langfristig an das Unternehmen zu binden, ohne tatsächliche Unternehmensanteile übertragen zu müssen. Eines der zentralen Elemente solcher Programme ist das sogenannte Vesting, das zunächst das Erfüllen einer Wartezeit voraussetzt. Gevestete Optionen können nach Eintritt eines Ausübungsereignisses (z.B. einen Börsengang) sodann ausgeübt werden, sofern sie noch nicht verfallen sind.

Zu der Frage, was mit gevesteten aber noch nicht ausgeübten virtuellen Optionen eines Arbeitnehmers geschieht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund der Eigenkündigung eines Arbeitnehmers endet, hatte nun das BAG (Urt. v. 19.3.2025 – 10 AZR 67/24, ZIP 2025, 1557; Vorinstanz: LAG München, Urt. v. 7.2.2024 – 5 Sa 98/23, ZIP 2024, 1860) in folgendem Fall zu entscheiden:

Der Kläger war vom 1. April 2018 bis zum 31. August 2020 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers, der im Jahr 2019 ein Angebot auf den Erhalt von 23 virtuellen Optionsrechten nach dem Employee Stock Option Provisions-Plan (ESOP) angenommen hatte. Nach dem ESOP war eine Vesting-Periode von vier Jahren festgelegt, innerhalb derer die Optionen sukzessive ausübbar werden sollten. Neben Regelungen zur Zuteilung und zur Ausübbarkeit der virtuellen Optionen, enthielt der ESOP zudem Regelungen zu deren Verfall und sah hier unter anderem vor, dass gevestete (ausübbare), aber noch nicht ausgeübte Optionen verfallen, wenn der Mitarbeiter selbst kündigt. Andere gevestete Optionen sollten sukzessive innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen. Als der Kläger ausschied, waren 31,25 % der Optionen gevestet. Die Beklagte lehnte einen Fortbestand seiner Optionen ab, da diese nach dem ESOP verfallen seien. Bei der Gewährung der Optionsrechte handele es sich um eine freiwillige Leistung ohne Entgeltcharakter; der Kläger habe keinerlei Gegenleistung für deren Erhalt erbringen müssen und ihm werde durch den Verfall auch kein bereits erdienter Lohn wieder entzogen. Die Optionen seien lediglich eine Verdienstchance, um die Betriebstreue zu belohnen.

Der Kläger hingegen vertrat die Auffassung, dass die Klauseln zum Verfall unwirksam seien. Da die virtuellen Optionen Bestandteil seiner Vergütung seien, habe er sich diese durch die Erbringung seiner Arbeitsleitung erarbeitet. Ein Verfall der erhaltenen Optionsrechte widerspreche daher dem Grundgedanken des Austauschverhältnisses. Zudem benachteilige ihn die Klausel unangemessen und erschwere das ihm zustehende Kündigungsrecht.

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die gevesteten virtuellen Optionen nicht verfallen sind.

Zunächst handele es sich bei den Vorschriften des ESOP um AGB iSv § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Daran anknüpfend hielten die Klauseln, die den Verfall der gevesteten Optionen anordnen, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand.

Insbesondere der sofortige Verfall der gevesteten Optionen sei unverhältnismäßig. Denn bei diesen handele es sich um eine Gegenleitung für die in der Wartezeit erbrachte Arbeitsleitung des Arbeitnehmers. So stelle der streitgegenständliche ESOP ein Beteiligungsprogramm dar, das Arbeitnehmern ermögliche, am Erfolg der Unternehmensgruppe bzw. an der zukünftigen Steigerung des Unternehmenswertes teilzuhaben. Hierdurch werde ein Anreiz für die Arbeitnehmer geschaffen, durch gute Arbeitsleistung zum Unternehmenserfolg beizutragen. Der sofortige Verfall berücksichtige diese bereits erbrachte Gegenleistung nicht angemessen. Insbesondere seien Fallgestaltungen eingeschlossen, in denen sich der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens, zu dem auch der Arbeitnehmer durch seine Leistung beigetragen habe, erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses realisiere.

Darüber hinaus unterliege die Klausel auch Bedenken, da sie den sofortigen Verfall an eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers knüpfe, ohne Fälle auszuschließen, bei denen die Eigenkündigung auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitsgebers zurückzuführen sei.

Weiterhin würden die Verfallsklauseln das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers erheblich erschweren, da dieser zur Vermeidung einer möglichen Vermögenseinbuße von der Ausübung seines Kündigungsrechts abgehalten würde, um den Verfall seiner gevesteten Optionen zu verhindern. Hierdurch verkürze sich die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers in unverhältnismäßiger Weise.

Auch der im ESOP geregelte sukzessive Verfall von gevesteten Optionen, die nicht bereits nach anderen Vorschriften des ESOP verfallen seien, sei unangemessen. Der geregelte sukzessive Verfall der gevesteten Optionen innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stünde in keinem angemessenen Verhältnis zur Dauer der im Arbeitsverhältnis erbrachten Vesting-Periode. All dies führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers und somit zu einer Unwirksamkeit der Klauseln.

Die Entscheidung des BAG hat weitreichende Folgen für virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogamme, insbesondere für solche, die bereits „ in der Welt sind“. So hat das BAG mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung geändert. Bisher (z.B. BAG, Urt. v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, ZIP 2008, 1390) hatte es noch Klauseln als zulässig befunden, die den Verfall gevesteter, aber noch nicht ausgeübter Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anordnen. Besondere Vorsicht bei der Gestaltung entsprechender Programme und eine Änderung bereits bestehender Mitarbeiterbeteiligungen ist daher geboten. Weiterhin möglich bleiben sollte allerdings die Gewährung von (virtuellen) Aktienoptionen durch eine Auslandsgesellschaft bei international tätigen Unternehmen, solange diese losgelöst vom zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis erfolgt und daher der ausländischen Rechtordnung unterworfen wird.


Die Autorin RAin Dr. Julia Schweitzer ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV. Die Arbeitsgemeinschaft ist Kooperationspartner des Arbeits-Rechtsberaters. Sie lädt regelmäßig zu Fortbildungsveranstaltungen mit interdisziplinärem Austausch ein. Die Herbsttagung 2025 findet am 12. und 13. September 2025 in Prag statt (Programm, Anmeldung).

 

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