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ArbRB-Blog

Tarifbindung als Mittel zur Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung

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Für Arbeitgeber wird es immer schwieriger, geeignete Arbeitnehmer zu finden. Oft wird in der Praxis unterschätzt, welche Wirkung bei der Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung hierbei eine Bindung des Arbeitgebers an Tarifverträge hat.

Für Arbeitnehmer ist es wichtig, ihre Arbeitsbedingungen verlässlich einschätzen zu können. Hierzu tragen Tarifverträge bei. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Es bedarf folglich keiner vertraglichen Umsetzung mehr.

Tarifgebunden sind nach § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. Denkbar ist es demnach, eine Tarifbindung durch Flächentarifverträge oder aber auch durch Haustarifverträge zu erreichen (zu den verschiedenen Arten von Tarifverträgen und deren Bedeutung für Arbeitgeber ausf. Kleinebrink, ArbRB 2017, 125 ff.).

Strategisch ist es für einen Arbeitgeber sinnvoller, über eine Mitgliedschaft im jeweiligen Arbeitgeberverband eine eigene Tarifbindung zu erreichen. Bei einem Haustarifvertrag, d.h. einem Tarifvertrag, den er selbst mit der zuständigen Gewerkschaft geschlossen hat, steht er der Gewerkschaft bei einem Arbeitskampf allein gegenüber. Bei der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kann er auf Arbeitskampfmaßnahmen gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedsunternehmen reagieren (zur tarifvertraglichen Friedenspflicht ausf. Kleinebrink, ArbRB 2022, 157 ff.).

Da der Arbeitgeber nicht weiß, welche Arbeitnehmer Mitglieder der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft sind, schafft er einen Gleichlauf der Tarifbindung von organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern durch vertragliche Bezugnahmeklauseln.

Auf diese Weise haben die Arbeitnehmer tarifvertragliche Arbeitsbedingungen als Mindestbedingungen sicher. Für Arbeitgeber hat dies den Vorteil, dass sie die entsprechenden Arbeitsbedingungen nicht mehr mit jedem Arbeitnehmer aushandeln müssen. Die Personalverantwortlichen werden hierdurch entlastet.
Arbeitgebern steht es außerdem frei, übertarifliche Leistungen zu gewähren. Zahlen sie nachweisbar freiwillige übertarifliche Zulagen, um z.B. Arbeitnehmer zu gewinnen oder zu behalten, können sie diese mit einer künftigen Erhöhung der Tarifentgelte verrechnen, wenn sie dies wünschen. Auf diese Weise können sie finanzielle Arbeitsbedingungen zumindest teilweise flexibel gestalten (ausf. zu dieser Flexibilisierungsmöglichkeit Kleinebrink, ArbRB 2005, 125 ff.). Hierbei müssen sie allerdings erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachten, wenn die Anrechnung nicht vollständig oder gleichmäßig erfolgt (ausf. auch zu Sonderfällen Kleinebrink, ArbRB 2005, 185 ff.).

Arbeitgeber, die durch Mitgliedschaft im zuständigen Arbeitgeberverband ihren Teil zu einer originären Tarifbindung beigetragen haben, sollten überlegen, ob sie dies nicht offensiv als Werbemittel, z.B. in Stellenanzeigen oder in den sozialen Medien, nutzen.

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