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Kündigungsfrist für Organmitglieder – BAG widerspricht der herrschenden Meinung

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Gilt bei einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses z.B. des Fremd-Geschäftsführers einer GmbH für die Berechnung der Kündigungsfrist § 621 BGB oder § 622 BGB?

Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Entscheidungen § 622 BGB in der vom 1. September 1969 bis zum 14. Oktober 1993 geltenden Fassung auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses von GmbH-Geschäftsführern angewandt, soweit diese nicht zugleich Mehrheitsgesellschafter waren. Zur Begründung hatte er angeführt, es liege eine planwidrige Regelungslücke vor, nicht an der Gesellschaft beteiligte Fremdgeschäftsführer seien mit Arbeitnehmern vergleichbar und die entsprechende Anwendung des § 622 Abs. 1 S. 1 BGB statt des § 621 Nr. 3 BGB liege gleichermaßen im Interesse des Geschäftsführers und der Gesellschaft (BGHZ 79, 291; BGHZ 91, 217). Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist dem BGH gefolgt. Auch das Schrifttum hat sich überwiegend dem BGH angeschlossen (vgl. Bittner/Tiedemann in HWK, 9. Aufl. 2020, § 621 BGB Rn. 11). Das Bundesarbeitsgericht hatte die im Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399) bestimmte Fristenregelung jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern für anwendbar gehalten (vgl. BAG vom 27.6.1985 – 2 AZR 425/84).

Der 2. Senat des BAG hält die Ansicht für zutreffend, dass sich ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen kann und widerspricht damit der herrschenden Meinung (BAG vom 11.06.2020 – 2 AZR 374/19, ArbRB online). § 622 BGB sei – seinem Wortlaut entsprechend – nur auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen anzuwenden. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung in § 621 BGB liege keine ausfüllungsbedürftige planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 622 BGB auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zuließe, vor. Aus diesem Grund sei es rechtlich ohne Bedeutung, ob das Fristenregime des § 622 Abs. 1 S. 1 BGB als interessengerechter anzusehen sei als die Kündigungsfrist des § 621 Nr. 3 BGB.) Schließlich habe der Gesetzgeber mit der ab 15. Oktober 1993 geltenden Neufassung des § 622 BGB die Anbindung der Kündigungsfristenregelung an Arbeitsverhältnisse betont. Es sei jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass er die Kündigungsfristenregelung für (Fremd-)Geschäftsführer dort verortet sehen wollte. Wäre dies sein Wille gewesen, hätte die Neuregelung Anlass gegeben, die Rechtsprechung des BGH in eine gesetzliche Regelung zu übernehmen. Dies sei nicht erfolgt. Anhaltspunkte für ein diesbezügliches „Redaktionsversehen“ des Gesetzgebers bestünden nicht.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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