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Zustellung einer Kündigung mittels Boten – Bestehen datenschutzrechtliche Bedenken?

avatar  Marion Bernhardt und Jan Schiller

Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, wird er das Kündigungsschreiben zu Beweiszwecken regelmäßig durch einen Boten zustellen lassen. Damit der Bote im Falle eines Kündigungsschutzprozesses als Zeuge dienen kann, muss er jedoch auch über den Inhalt der Kündigungserklärung sowie über persönliche Angaben des Arbeitnehmers informiert sein. Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt sich daher die Frage, ob und wenn ja auf welcher Grundlage eine solche Kenntnisnahme zulässig ist.

Das Problem

Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses kommt dem Nachweis der Zustellung der Kündigungserklärung eine besondere Bedeutung zu, denn nur wenn dieser Nachweis rechtssicher gelingt, hat die Kündigung überhaupt Aussicht auf Erfolg. Stellt der Arbeitnehmer die Behauptung auf, das Schreiben des Arbeitgebers sei ihm nicht zugegangen, oder der Briefumschlag sei leer gewesen, obliegt es dem Arbeitgeber, das Gegenteil zu beweisen. Gelingt ihm dies nicht, kann schon daran die Wirksamkeit der Kündigung scheitern. Der Arbeitgeber müsste also eine erneute Kündigung aussprechen und in der Zwischenzeit entstandene Vergütungsansprüche begleichen. Durch die Verzögerung kann es sogar dazu kommen, dass eine Kündigung des Arbeitnehmers gänzlich ausscheidet oder deutlich erschwert wird, etwa weil die Probezeit des Arbeitnehmers abgelaufen ist oder sich andere Umstände zum Vorteil des Arbeitnehmers verändert haben.

Um das mit dem Gelingen der Zustellung einhergehende Prozessrisiko zu minimieren, kann der Arbeitgeber zum Nachweis der Zustellung idealerweise auf eine persönliche Übergabe der Kündigung zurückgreifen. Dabei wird dem Arbeitnehmer die Kündigungserklärung vor Zeugen (bestenfalls Angehörige des Betriebs) überreicht und eine Zweitschrift von dem Arbeitnehmer gegengezeichnet. Durch die Übergabe vor Zeugen kann die Zustellung im Prozess durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden, auch wenn der Arbeitnehmer die Quittierung der Zweitschrift verweigert.

Es kann jedoch vorkommen, dass eine persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens nicht möglich ist, etwa weil der Arbeitnehmer nach einem schweren Fehlverhalten unverzüglich freigestellt wurde oder er arbeitsunfähig erkrankt ist. In diesen Fällen ist auch der Rückgriff auf eine postalische Zusendung, selbst per Einschreiben mit Rückschein, zum Nachweis der Zustellung nicht ausreichend sicher. Denn es kann so lediglich nachgewiesen werden, dass etwas zugestellt wurde, nicht aber, dass es sich dabei um die Kündigungserklärung handelte, ob der zugestellte Umschlag geöffnet und entleert angekommen ist oder nicht.

Um diesen Nachweis führen zu können, wird regelmäßig auf die Zustellung per Boten zurückgegriffen. Dieser wirft das Kündigungsschreiben entweder in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers ein oder übergibt das Schreiben dem Arbeitnehmer zu Hause persönlich. Damit der Bote aber die Kündigungserklärung zustellen sowie als tauglicher Zeuge herangezogen werden kann, muss dieser aber nicht nur Name und Adresse des Arbeitnehmers kennen, sondern auch Kenntnis von dem Inhalt des Kündigungsschreibens besitzen. Der Bote muss nämlich nicht nur beschreiben können, wann, wo, an wen und unter welchen Umständen er das Kündigungsschreiben zugestellt hat, sondern auch, ob es sich bei der Kündigungserklärung um das Original handelte und von wem dieses unterschrieben wurde.

Die datenschutzrechtliche Lösung

Hier stellt die Frage, wie diese Kenntnisnahme aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beurteilen ist. Dabei ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob es sich bei dem Boten um einen Mitarbeiter des Arbeitgebers handelt, oder ob der Arbeitgeber einen externen Dienstleister mit der Zustellung beauftragt hat.

Mitarbeiter des Arbeitgebers sind datenschutzrechtlich als dem Arbeitgeber, also dem „Verantwortlichen“ zugehörig zu behandeln. Sie stellen also keine „Dritten“ im Sinne des Art. 4 Nr. 10 DSGVO dar, so dass es sich bei der Kenntnisnahme der Daten durch den Boten nicht um eine Ãœbermittlung von Daten handelt. Das hat zur Folge, dass für die Kenntnisnahme keine zusätzliche datenschutzrechtliche Rechtfertigung erforderlich ist. Vielmehr ist ausreichend, dass die Verarbeitung der Daten des Arbeitnehmers (Name, Adresse, etc.) im Sinne des § 26 Abs. 1 BDSG „zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich“ ist.

Anders sieht es hingegen aus, wenn die Zustellung durch einen externen Boten vorgenommen wird. Dieser ist nicht Teil des Verantwortlichen, sondern ein „Dritter“, so dass es sich bei der Weitergabe der Daten an den Boten um eine gesonderte „Verarbeitung“ von Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO handelt. Für diese Verarbeitung muss nun eine gesonderte Rechtsgrundlage gegeben sein, wenn der Bote datenschutzrechtlich nicht als „Auftragsverarbeiter“, sondern als eigenständiger Verantwortlicher zu qualifizieren ist.

Sollte der externe Bote als Auftragsverarbeiter nach Art. 4 Nr. 8 DSGVO zu betrachten sein, ist zwar für die Weitergabe der Daten keine Rechtsgrundlage erforderlich, dafür müsste jedoch eine Vereinbarung über die Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO abgeschlossen werden. In dieser Vereinbarung müssten umfangreiche Regelungen getroffen werden, insbesondere über den Gegenstand, die Dauer, die Art und den Zweck der Verarbeitung, aber auch, welche Daten verarbeitet werden und wie diese durch technische und organisatorische Maßnahmen geschützt werden können.

Es ist jedoch regelmäßig nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem externen Boten um einen Auftragsverarbeiter im Sinne der DSGVO handelt. Natürlich handelt der Bote im Auftrag des Verantwortlichen, jedoch ist Gegenstand seiner Beauftragung nicht die Verarbeitung personenbezogener Daten, sondern die Zustellung des Kündigungsschreibens. Dass der Bote in diesem Zusammenhang Kenntnis der personenbezogenen Daten erhält, ist zwar zwingende, aber eher untergeordnete Folge seiner Tätigkeit. Aus diesem Grund wird man in der Regel nicht davon ausgehen können, dass der externe Bote als Auftragsverarbeiter qualifiziert werden muss.

Stattdessen ist der externe Bote selbst Verantwortlicher im Sinne der DSGVO, so dass zwar keine Vereinbarung über die Auftragsverarbeitung erforderlich ist, dafür aber die Ãœbermittlung der Daten durch einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand gerechtfertigt werden muss. Der Arbeitgeber übermittelt die Daten an den Boten zum Nachweis der Zustellung der Kündigungserklärung, so dass die Ãœbermittlung dem Zweck der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 26 Abs. 1 BDSG dient. Diese Verarbeitung – also die Ãœbermittlung der Daten – muss für diesen Zweck aber auch „erforderlich“ sein. Im Rahmen dieser Erforderlichkeitsprüfung findet eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt, bei der die gegenläufigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen werden müssen. Auf Seiten des Arbeitgebers ist zu berücksichtigen, dass ein begründetes Interesse daran besteht, die Zustellung der Kündigungserklärung rechtssicher nachweisen zu können. Auf der anderen Seite hat der Arbeitnehmer zwar ein Interesse daran, dass seine Daten nicht an den Boten weitergegeben werden, dieses kann jedoch das Interesse des Arbeitgebers regelmäßig nicht überwiegen. Somit ist die Weitergabe der Daten in aller Regel nach § 26 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt.

Im Zusammenhang mit solchen Datenübermittlungen ist aber zu beachten, dass der Arbeitgeber stets die Möglichkeit haben muss, den Nachweis erbringen zu können, dass er die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten hat. Aus diesem Grund ist es insbesondere ratsam, mit dem externen Boten eine schriftliche Vertraulichkeitsverpflichtung zu vereinbaren. Außerdem muss der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO nachkommen, also den Arbeitnehmer über die Datenweitergabe informieren. Diese Informationen erst bei Beauftragung des Boten zur Verfügung zu stellen, erscheint nicht praktikabel; daher sollte bereits ein entsprechender Hinweis (wie beispielsweise „Datenweitergabe an externe Dienstleister“) in die allgemeinen Datenschutzhinweise aufgenommen werden.

Werden diese Anforderungen erfüllt, wird aus datenschutzrechtlicher Sicht die Beauftragung eines externen Boten mit der Zustellung des Kündigungsschreibens mit geringen Risiken verbunden sein, insbesondere wenn die angesprochene Vertraulichkeitsverpflichtung abgeschlossen wird. Doch selbst wenn im Einzelfall Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes bestehen, wirken sich solche Verstöße auf die Wirksamkeit einer Kündigung aller Voraussicht nach nicht aus.

RAin FAinArbR Prof. Dr. Marion Bernhardt und RA FAArbR Jan Peter Schiller, CMS Hasche Sigle, Berlin

Ein Kommentar

  1. avatar Worldcourier
    Veröffentlicht 21.9.2020 um 15:56 | Permalink

    Guten Tag, jetzt zu Coronazeiten werden (leider) täglich deutlich mehr Kündigungen per Bote zugestellt, als sonst. Es stellt sich mir hier die Frage, ob eine Kündigung rechtlich überhaupt zulässig ist, wenn der Arbeitgeber in seiner Datenschutzerklärung bzw. im Datenschutzverzeichnis für zweckgebundene Verarbeitungen die Weitergabe von Daten des Arbeitnehmers an Dritte (hier: den konkreten Wortlaut des Kündigungsschreibens an einen Boten) nicht ausdrücklich aufführt. Wie sehen Sie das?

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