EuG v. 17.12.2025 - T-620/23 u.a.
Zusätzliches Altersversorgungssystem der Europaabgeordneten
Das EuG hat sich vorliegend mit den verbundenen Klagen von 405 ehemaligen Europaabgeordneten oder ihren Hinterbliebenen gegen die Kürzung ihrer zusätzlichen Altersversorgung um die Hälfte befasst. Der Grundsatz des Schutzes wohlerworbener Rechte bedeutet nicht, dass jede Änderung der Modalitäten der Ruhegehaltsberechnung, die eine Verringerung der Ruhegehaltshöhe nach sich zieht, einen Eingriff in diese wohlerworbenen Rechte darstellt. Die erworbenen Ruhegehaltsansprüche sind nämlich von der Ruhegehaltshöhe zu unterscheiden.
Der Sachverhalt:
Im Anschluss an die Annahme des Abgeordnetenstatuts des EU-Parlaments trat im Juli 2009 ein einheitliches Altersversorgungssystem in Kraft. Zuvor hatten die Abgeordneten eine Altersversorgung seitens des Mitgliedstaats bezogen, für den sie gewählt worden waren. Sah das nationale System keine Altersversorgung vor oder entsprachen das Niveau oder die Modalitäten der vorgesehenen Altersversorgung nicht dem Niveau oder den Modalitäten, die für die Mitglieder des nationalen Parlaments des Mitgliedstaats galten, für den der Abgeordnete gewählt worden war, so konnte dieser ein Ruhegehalt oder eine Ruhegehaltszulage erhalten, die aus dem Haushalt der EU gezahlt wurden.
Im Jahr 1990 schuf das Parlament aufgrund der großen Unterschiede zwischen den nationalen Systemen losgelöst von dieser Altersversorgung ein zusätzliches freiwilliges Altersversorgungssystem (ZFAS) und errichtete einen Pensionsfonds. Dieser war dafür zuständig, die Beiträge entgegenzunehmen, die entsprechenden Vermögenswerte zu verwalten und die zusätzlichen Ruhegehälter auszuzahlen. Das System stand allen Abgeordneten des EU-Parlaments offen und bezweckte die Sicherstellung einer zusätzlichen Altersversorgung bis ans Lebensende. Als Berechnungsgrundlage für die Beiträge und die Höhe der Ruhegehälter wurden 40 % der Bezüge eines Richters am EuGH zugrunde gelegt. Die Finanzierung des ZFAS erfolgte zu einem Drittel durch Beiträge der angeschlossenen Abgeordneten und zu zwei Dritteln durch das Parlament.
Mit den Übergangsmaßnahmen des neuen Abgeordnetenstatuts (Art. 27) wurde das ZFAS für die daran Angeschlossenen weitergeführt und für Neubeitritte geschlossen. Wegen der Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Fonds wurden die für das ZFAS geltenden Vorschriften mehrfach geändert, insbesondere in den Jahren 2009 und 2018. Im Jahr 2023 beschloss das Präsidium des Parlaments, die Höhe der Ruhegehälter aus dem ZFAS um die Hälfte zu kürzen und nicht mehr zu aktualisieren. Der Kläger, Enrique Barón Crespo (1986 bis 2009 Europaabgeordneter), und weitere klagende ehemalige Europaabgeordnete oder deren Hinterbliebene klagten beim EuG auf Nichtigerklärung der in Durchführung dieses Beschlusses ergangenen und aus ihrer Sicht rechtswidrigen sowie gegen die Übergangsmaßnahmen von 2009 verstoßenden Bescheide zur Festsetzung ihrer Ruhegehälter.
Das EuG wies die Klagen ab. Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen nach Zustellung beim EuGH ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.
Die Gründe:
Ziel der geltend gemachten Übergangsmaßnahmen war es, den persönlichen Geltungsbereich des ZFAS im Kontext des neuen einheitlichen Systems der Altersversorgung nach dem Statut zu bestimmen, nicht aber die materiellen Bedingungen des ZFAS festzuschreiben und so jede Änderung der Modalitäten dieses Systems einschließlich derjenigen, die sich auf die Ruhegehaltshöhe auswirken, für die Zukunft zu verhindern. Der Grundsatz des Schutzes wohlerworbener Rechte bedeutet nicht, dass jede Änderung der Modalitäten der Ruhegehaltsberechnung, die eine Verringerung der Ruhegehaltshöhe nach sich zieht, einen Eingriff in diese wohlerworbenen Rechte darstellt. Die erworbenen Ruhegehaltsansprüche sind nämlich von der Ruhegehaltshöhe zu unterscheiden.
Was das berechtigte Vertrauen der Empfänger betrifft, so sehen weder das Statut noch die Durchführungsbestimmungen dazu ein Recht auf Beibehaltung einer bestimmten Ruhegehaltshöhe vor. Die schlichte Praxis des Parlaments bis zum Beschluss von 2023, nach der Änderungen des ZFAS nur die Empfänger betrafen, die ihre zusätzliche Altersversorgung noch nicht bezogen, konnte kein berechtigtes Vertrauen darauf entstehen lassen, dass künftige Reformen des Systems nicht diejenigen betreffen könnten, die die zusätzliche Altersversorgung bereits beziehen.
Die vermögensrechtliche Position der Kläger besteht in dem Anspruch auf Bezug eines Ruhegehalts aus dem ZFAS, nicht aber in einem Anspruch auf einen bestimmten Betrag. Die Kläger haben nicht dargetan, dass das Ausmaß, in dem die Höhe der Ruhegehälter aus dem ZFAS nach dem Beschluss von 2023 gekürzt wird, den Ruhegehaltsanspruch aushöhlen und so den Wesensgehalt des Eigentumsrechts beeinträchtigen würde. Mit dem Beschluss von 2023 werden die Ziele verfolgt, den Fonds kurzfristig zu sichern und die mit seinem Defizit verbundenen Folgen für die Steuerzahler in der Union zu begrenzen. Unter Berücksichtigung insbesondere dessen, dass es sich um eine fakultative zusätzliche Altersversorgung handelt, wird mit diesem Beschluss die Nominalhöhe der Ruhegehälter nicht auf ein offenkundig unangemessenes Niveau herabgesetzt, wenn man die Dauer des Mandats und die Höhe der entrichteten Beiträge betrachtet.
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