ArbG Herford v. 2.10.2025 - 3 Ca 418/25
Betriebsübergang oder nicht?
Die bloße Mitnahme von einzelnen Gegenständen wie Dekorationsartikeln, Verpackungsmaterial oder Büromöbeln, stellen für einen Betrieb, der Küchen produziert, keine wesentlichen Vermögensgüter dar. Auch die bloße Verwertung der „Marke“ stellt keinen Betriebsübergang dar. Das gilt auch für eine Adressänderung.
Der Sachverhalt:
Die 58-jährige verheiratete Klägerin ist seit 2011 (zuletzt als Auftragssachbearbeiterin) bei der Beklagten beschäftigt. Diese stellt Küchen her. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet, deren Vorsitzende die Klägerin ist. Am 31.3.2025 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet worden. Im unmittelbaren Anschluss daran schloss die Geschäftsführung der Beklagten mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste gem. §§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO sowie einen Insolvenzsozialplan ab. Anschließend wurden noch am selben Tag Kündigungen ausgesprochen.
Am 12.5.2025 zeigte die Beklagte die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht an. Infolgedessen konnte den freigestellten Mitarbeitern keine Gehälter ausbezahlt werden. Die Gesellschaft und der Betriebsrat unterzeichneten am 23./26.5.2025 ein als „Interessenausgleich“ bezeichnetes Dokument, in dem die Stilllegung beschlossen wurde. Darin enthalten war die Aufstellung der von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter (keine Namensliste i.S.v. § 125 Abs. 1 InsO, § 1 Abs. 5 KSchG). In dieser Anlage waren alle noch verbliebenen Mitarbeiter der Beklagten aufgeführt. Neben der Klägerin waren das weitere 63 Personen.
Mit Schreiben vom 28.5.2025 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31.8.2025. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Kündigung nicht durch betriebsbedingte Gründe sozial gerechtfertigt sei. Die Beklagte führe den Betrieb fort. Hierfür spreche u.a., dass sie eine neue Adresse habe. Außerdem habe der Geschäftsführer der Beklagten in einem Zeitungsartikel erklärt, dass die Marke an einem anderen Standort weitergeführt werde. Für einen Betriebsübergang spreche zudem, dass Produktionsmaterial und Ausstellungsware abgeholt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Die Gründe:
Die Kündigung ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, sondern wegen betriebsbedingter Gründe sozial gerechtfertigt.
Die Beklagte hatte vor Ausspruch der Kündigung eine entsprechende unternehmerische Entscheidung getroffen. Hierfür sprach zum einem der vorgelegte Interessenausgleich vom 23./26. Mai 2025, der sowohl von der Geschäftsführung als auch von der Klägerin unterzeichnet worden war und in dem festgehalten war, dass der Betrieb der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung bzw. spätestens mit der unmittelbar bevorstehenden (vermieterseitig veranlassten) Aufgabe des Betriebsgrundstücks durch die Gesellschaft stillgelegt und nur noch eine Abwicklung des Unternehmens gewährleistete. Das Grundstück war bereits geräumt. Diesem Vortrag war die Klägerseite nicht substantiiert entgegengetreten, sodass er gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden galt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde der Betrieb nicht anderweitig weitergeführt. Es lag kein Betriebsübergang vor. Ein solcher liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (BAG Urt. v. 21.3.2024 – 2 AZR 79/23). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören u.a. die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs und die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (BAG, Urt. v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14).
Infolgedessen lag hier kein Betriebsübergang vor. Die Klägerin hatte nicht vorgetragen, dass Produktionsmitarbeiter noch wesentliche Vermögensgüter der Beklagten übergangen waren. Die bloße Mitnahme von einzelnen Gegenständen wie Dekorationsartikeln, Verpackungsmaterial oder Büromöbeln, stellen für einen Betrieb, der Küchen produziert, keine wesentlichen Vermögensgüter dar. Auch aus der Tatsache, dass die „Körperschaft“ der Beklagten bestehen blieb und die Marke „D“ künftig in C in Lizenz mitproduziert wird, führte zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
Die bloße Verwertung der „Marke“ stellt keinen Betriebsübergang dar. Sofern die Klägerin argumentiert hatte, dass aus der Adressänderung der Beklagten ein Betriebsübergang geschlossen werden könnte, so konnte dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie die Betriebsräume verlassen musste, weil der Mietvertrag nicht verlängert worden war. Aus diesem Grund bedurfte es einer ladungsfähigen Anschrift. Ein Betriebsübergang ergab sich daraus jedoch nicht.
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Aufsatz
Cord Meyer
Betriebsübergang zum Beibehalt von Arbeitsbedingungen
ArbRB 2025, 278
Aktionsmodul Arbeitsrecht
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