Otto Schmidt Verlag

Hessisches LAG 1.8.2025 - 10 SLa 86/25

Konkludenter Verzicht auf Staatenimmunität durch Einlassung ohne Rüge möglich

Ein Fahrer, der bei einem Konsulat als Ortskraft arbeitet und regelmäßig den Generalkonsul fährt, ist grundsätzlich hoheitlich für den ausländischen Staat tätig. Auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz der Staatenimmunität (Art. 25 GG, § 20 Abs. 2 GVG) kann auch konkludent verzichtet werden, indem sich der ausländische Staat im Prozess ohne Rüge einlässt.

Der Sachverhalt:
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 1980 beschäftigt, zuletzt war er seit 1995 als Chauffeur im Generalkonsulat der Beklagten tätig. Dort sind mehr als zehn Arbeitnehmer, ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, angestellt. Der Kläger unterliegt dem Direktionsrecht der Generalkonsulin bzw. des Generalkonsuls. Der Kläger ging neben der Tätigkeit als Chauffeur weiteren Aufgaben nach. So führte er kleinere Botengänge aus, empfing Gäste und Staatsbürger an der Rezeption und übte Tätigkeiten im Archiv aus.

Im März 2022 hatte der Kläger einen Verkehrsunfall und war in der Folge arbeitsunfähig erkrankt. Mit Entlassungsbrief aus der Klinik wurde aus medizinischer Sicht eine Leistungsunfähigkeit für seine Tätigkeit als Chauffeur ausgesprochen. Im Übrigen bestehe eine Arbeitsfähigkeit für Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Sitzen und Gehen. Mit Schreiben vom 19.9.2022 kündigte das Generalkonsulat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 30.4.2023 aus personenbedingten Gründen. Die Kündigung war von der damaligen Generalkonsulin Frau C. unterzeichnet worden. Aus den vorgelegten Attesten ergebe sich, dass der Kläger prognostisch nicht mehr als Fahrer tätig werden können. Man könne ihm auch keine anderweitige freie Tätigkeit anbieten.

Der Kläger war der Ansicht, dass die deutsche Gerichtsbarkeit im vorliegenden Kündigungsrechtsstreit eröffnet sei. Die Kündigung sei schon aus formellen Gründen unwirksam, da die maßgebliche Vertretungskette bei Ausspruch der Kündigung nicht nachgewiesen worden sei. Es bestünden auch keine personenbedingten Kündigungsgründe. Denn er könne jedenfalls außerhalb der Tätigkeit als Fahrer im Konsulat weiterarbeiten.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das LAG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Der Rechtsstreit unterfällt nach § 20 Abs. 2 GVG der deutschen Gerichtsbarkeit. Zwar ist der Kläger an sich hoheitlich tätig geworden. Die Beklagte hat aber auf den Grundsatz der Staatenimmunität verzichtet. Ein Fahrer, der bei einem Konsulat als Ortskraft arbeitet und regelmäßig den Generalkonsul fährt, ist grundsätzlich hoheitlich für den ausländischen Staat tätig. Auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz der Staatenimmunität (Art. 25 GG, § 20 Abs. 2 GVG) kann auch konkludent verzichtet werden, indem sich der ausländische Staat im Prozess ohne Rüge einlässt.

Allerdings war die ordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt, weil der Kläger nicht mehr als Chauffeur arbeiten kann. Die Kündigung war nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht von dem richtigen „Arbeitgeber“ ausgesprochen worden war. Die Kündigung war auf dem Briefkopf des Konsulats ausgesprochen worden. Durch Auslegung konnte ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kündigung von dem hinter dem Konsulat stehenden Rechtsträger, nämlich dem Königreich Marokko, ausgesprochen werden sollte. Die ehemalige Generalkonsulin Frau C. war somit auch befugt, die Kündigung auszusprechen.

Die Kündigung erwies sich nach § 1 Abs. 2 KSchG als sozial gerechtfertigt. Der Beklagten konnte nicht zugemutet werden, den Kläger auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz nur mit Verwaltungstätigkeiten zu beschäftigen. Es konnte dabei zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass es zutreffend war, dass der Kläger, soweit er in der Vergangenheit nicht konkret als Fahrer tätig war, an der Rezeption im Konsulat aushalf, Kopien anfertigte oder Botengänge übernahm. Der Kläger hat sich im Prozess darauf berufen, er könne diese Nebenarbeiten auch weiterhin bei der Beklagten ausführen. Dagegen spracht aber, dass zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung ein freier Arbeitsplatz vorhanden sein muss. Der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich nicht gehalten, eine freie Stelle zugunsten des Arbeitnehmers erst zu schaffen. Es war der Beklagte nicht zuzumuten, ein auf Dauer sinnentleertes Arbeitsfeld des fortzuführen.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Arbeitsrecht
Otto Schmidt Answers ist in diesem Modul mit 5 Prompts am Tag enthalten! Nutzen Sie die Inhalte in diesem Modul direkt mit der KI von Otto Schmidt. Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht sowie der Fachzeitschriften ArbRB, DER BETRIEB, ZFA und ZAU. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.10.2025 11:35
Quelle: LaReDa Hessen

zurück zur vorherigen Seite