LSG Berlin-Brandenburg v. 9.10.2025 - L 21 U 47/23
Kein Arbeitsunfall: Sprung aus Fenster nach Explosion der E-Roller-Akkus im Homeoffice
Wer im Homeoffice arbeitet und zur Selbstrettung aus dem Fenster seiner Wohnung springt, nachdem die Akkus seines E-Rollers in Brand geraten sind, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein solches Ereignis stellt keinen Arbeitsunfall dar.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als Softwareentwickler beschäftigt. Er lebte in einer Wohnung im 1. OG eines Mehrfamilienhauses. Das Wohnzimmer nutzte er als Homeoffice. Im Januar 2021 befand sich der Kläger gerade in einer Telefonkonferenz, als er bemerkte, dass Rauch in das Wohnzimmer eintrat. Er öffnete die Tür zum Wohnungsflur, um nach der Ursache zu schauen. In diesem Moment explodierten die beiden E-Roller-Akkus, die der Kläger neben seiner Wohnungstür (innerhalb der Wohnung) gestellt hatte. Wegen der starken Qualm-Entwicklung flüchtete der Kläger zum Fenster des Wohnzimmers und ließ sich schließlich vom Fensterbrett in den Innenhof fallen. Dabei erlitt er Knochenbrüche an beiden Füßen. Die nachfolgenden Ermittlungen der Feuerwehr ergaben, dass der Brand auf einen Akku-Defekt zurückzuführen war.
Die Berufsgenossenschaft wollte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkennen. Das SG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem LSG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Das Ereignis im vorliegenden Fall stellte keinen Arbeitsunfall dar.
Die konkrete Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls hatte nicht im inneren Zusammenhang mit seiner grundsätzlich versicherten, im Homeoffice ausgeübten Tätigkeit als Softwareentwickler gestanden. Der Sprung aus dem Fenster war nicht mehr in eine hinreichend enge sachliche Beziehung mit der Telefonkonferenz zu bringen. Die Verletzungen hat er sich auch erst beim Sprung zugezogen und nicht schon, als er – z.B. noch mit seinem Headset und während er die Telefonkonferenz fortführte - den verqualmten Flur betreten hatte. Beim Sprung aus dem Fenster hatte der Kläger in erster Linie sein eigenes Leben retten wollen und damit ein überragend wichtiges privates Motiv verfolgt. Unerheblich war, dass er hierdurch (auch) seine Arbeitskraft erhalten wollte, um etwa die Telefonkonferenz fortsetzen zu können.
Eine Anerkennung als Arbeitsunfall kam auch nicht unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung zu Arbeitsunfällen im Homeoffice (Urt. v. 21.3.2024, Az. B 2 U 14/21 R) in Betracht. Danach können zwar von privaten Gegenständen des Versicherten ausgehende Gefahren im Homeoffice versichert sein, wenn diese der beruflichen Tätigkeit dienend benutzt werden. Dies war hier aber in Bezug auf die E-Roller-Akkus nicht anzunehmen. Unerheblich war, dass der Kläger seinen E-Roller auch für den Arbeitsweg genutzt hatte. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls war der E-Roller bzw. waren die Akkus nicht betriebsdienlich genutzt worden. Sie waren nicht dazu bestimmt, die Telefonkonferenz durchzuführen.
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