OLG Frankfurt a.M. v. 7.10.2025 - 3 W 20/25
Unwiderruflichkeit der Ausübung des Wahlrechts aus § 2 Abs. 3 ArbGG
Sobald der Kläger von seinem Wahlrecht aus § 2 Abs. 3 ArbGG Gebrauch gemacht hat, ist die getroffene Wahl endgültig. Das Wahlrecht des Klägers aus § 2 Abs. 3 ArbGG lebt nicht etwa dann wieder auf, wenn der Kläger Kenntnis von Gerichtsentscheidungen erhält, welche die Frage der Rechtswegzuständigkeit abweichend von dessen Einschätzung im Zeitpunkt der Klageerhebung beurteilen.
Der Sachverhalt:
Der Kläger erhob gegen den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) Klage vor dem LG Frankfurt a.M. Der Beklagte zu 1) rügte daraufhin den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Vielmehr seien die Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit im Zusammenhang mit dem Beklagten zu 1) ausschließlich zuständig. Daraufhin beantragte der Kläger, der Rechtswegrüge des Beklagten zu 1) nicht zu folgen und den Rechtsstreit beim LG Frankfurt a.M. zu belassen. Zur Begründung verwies der Kläger darauf, dass in einem Parallelverfahren das LAG Rheinland-Pfalz auf die Beschwerde der Beklagten zu 2) entschieden habe, dass nicht das ArbG Kaiserslautern zuständig sei, sondern das LG Frankfurt a.M.
Nachdem das LG den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass es bzgl. des Beklagten zu 1) den Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht als eröffnet erachte, da gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig seien, stimmte der Kläger der Verweisung des Rechtsstreits gegen den Beklagten zu 1) an das ArbG Kaiserslautern zu. Zugleich beantragte er "in Anbetracht des nach Rechtshängigkeit der hiesigen Klage ergangenen Beschlusses des LAG Nürnberg" in dem Verfahren ..., in dem in einem weiteren Parallelverfahren die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte auch für die Klage gegen die Beklagte zu 2) rechtskräftig bejaht worden sei, die Verweisung des Rechtsstreits gegen die Beklagte zu 2) an das ArbG Kaiserslautern. Die Beklagte zu 2) trat dem Verweisungsantrag des Klägers entgegen.
Sodann entschied das LG mit dem angegriffenen Beschluss, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten weder für die Klage gegen den Beklagten zu 1) noch für die Klage gegen die Beklagte zu 2) eröffnet sei und verwies den Rechtsstreit an das ArbG Kaiserslautern. Das LG half der sofortigen Beschwerde der Beklagten zu 2) nicht ab und legte die Sache dem OLG vor. Dieses entschied, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für die Klage des Klägers gegen die Beklagte zu 2) zulässig ist.
Die Gründe:
Im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (§ 13 GVG).
§ 2 Abs. 3 ArbGG begründet keine ausschließliche, sondern eine fakultative Zuständigkeit, weil sie erst durch eine entsprechende Klageerhebung entsteht. Es bleibt dem Kläger der Zusammenhangsklage überlassen, ob er seinen prozessualen Anspruch vor den ordentlichen Gerichten oder den Gerichten für Arbeitssachen verfolgt. Sobald der Kläger aber von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat (etwa durch eine Klage bei den ordentlichen Gerichten), ist die getroffene Wahl endgültig. Eine einmal getroffene Wahl kann nicht widerrufen werden. Der Kläger hat hier von seinem Wahlrecht nach § 2 Abs. 3 ArbGG Gebrauch gemacht, indem er beim LG Frankfurt a.M. Klage gegen die Beklagte zu 2) erhoben hat. Damit ist sein Wahlrecht erloschen.
Entgegen der Ansicht des LG hat der Kläger sein Wahlrecht wirksam ausgeübt. Allerdings ist für das prima facie vergleichbare Wahlrecht im Rahmen des § 35 ZPO anerkannt, dass das Wahlrecht nicht wirksam ausgeübt ist, wenn das gewählte Gericht unzuständig ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dies hier nicht der Fall ist, da das LG Frankfurt a.M. für die Klage im Prozessrechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) nach allgemeinen Regeln zuständig ist (§§ 12, 17 ZPO). Soweit teilweise vertreten wird, dass eine abweichende Beurteilung dann angezeigt sein kann, wenn in Unkenntnis von Umständen, welche einen besonderen Gerichtsstand begründen, Klage zum allgemeinen Gerichtsstand erhoben wurde oder die Wahlmöglichkeit erst nach Verfahrenseinleitung entstanden ist, ist schon zweifelhaft, ob diese denkbaren Ausnahmen auch auf den Fall des § 2 Abs. 3 ArbGG übertragen werden können und sollten.
Jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen hat der Kläger sein Wahlrecht wirksam ausgeübt. Er hatte nämlich bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung Kenntnis davon, dass im Prozessrechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) grundsätzlich sowohl eine Zuständigkeit des LG Frankfurt a.M. als auch eine Zuständigkeit des ArbG Kaiserslautern in Betracht kommt. Es spielt insofern keine Rolle, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz in dem Parallelverfahren eine Entscheidung vorlag, die möglicherweise Zweifel daran wecken konnte, ob ein angerufenes Arbeitsgericht seine Rechtswegzuständigkeit bejahen würde. Die Rechtspflege ist wegen der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) konstitutionell uneinheitlich. Ein Gericht braucht deswegen bei der Auslegung und Anwendung von Normen einer vorherrschenden Meinung nicht zu folgen.
Vor diesem Hintergrund war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vollkommen unklar, ob das ArbG Kaiserslautern im Falle seiner Anrufung der Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz in dem Parallelverfahren gefolgt wäre. Daher kann es nicht darauf ankommen, ob dem Kläger nach Rechtshängigkeit Entscheidungen zur Kenntnis gelangt sind, welche die Frage der Rechtswegzuständigkeit abweichend von der Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz in dem Verfahren beurteilten. Das Wahlrecht des Klägers aus § 2 Abs. 3 ArbGG lebt nicht etwa dann wieder auf, wenn der Kläger Kenntnis von Gerichtsentscheidungen erhält, welche die Frage der Rechtswegzuständigkeit abweichend von dessen Einschätzung im Zeitpunkt der Klageerhebung beurteilen.
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