BVerwG v. 9.10.2025 - 3 C 5.24
Quarantäne wegen Corona: Keine Verdienstausfall-Entschädigung nach dem IfSG bei Vermeidbarkeit der Infektion durch Schutzimpfung
Eine erwerbstätige Person, die sich im Oktober 2021 wegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in häuslicher Quarantäne befunden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten hat, kann vom Staat keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) verlangen, wenn sie die damalige öffentlich empfohlene COVID-19-Schutzimpfung nicht in Anspruch genommen hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Impfung für sie möglich gewesen wäre.
Der Sachverhalt:
Der selbstständig erwerbstätige Kläger wurde im Oktober 2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet und musste sich aufgrund behördlicher Anordnung für 14 Tage in häusliche Absonderung begeben. Anschließend beantragte er beim beklagten Land eine Entschädigung für durch die Absonderung erlittenen Verdienstausfall.
Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG sei ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Antragsteller die Absonderung durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung hätte vermeiden können. Zum Zeitpunkt der Absonderung habe beim Kläger kein Impfschutz gegen das Coronavirus bestanden. Eine Impfung sei ihm möglich gewesen.
Das VG gab der Klage statt und verpflichtete den Beklagten zur Bewilligung der beantragten Entschädigung. Der VGH wies die Berufung des Beklagten zurück; der Kläger habe die Absonderung nicht durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG vermeiden können. Erforderlich sei, dass durch die Impfung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Infektion und damit die Absonderung hätte vermieden werden können. Das verlange eine Wirksamkeit der Impfung gegen Infektionen von mindestens 90 Prozent oder jedenfalls nicht deutlich darunter. Diesen Wirksamkeitsgrad habe die COVID-19-Impfung im Oktober 2021 nicht erreicht. Auf die Revision des Beklagten hob das BVerwG die vorinstanzlichen Urteile auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Gem. § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG erhält eine Entschädigung u.a. nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, eine Absonderung hätte vermeiden können. Die Annahme des VGH, dies sei nicht der Fall, weil die Absonderung durch Inanspruchnahme der öffentlich empfohlenen COVID-19-Impfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können, ist nicht mit Bundesrecht vereinbar.
Der Betroffene hätte eine Infektion und damit eine Absonderung im Sinne der Vorschrift vermeiden können, wenn er eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung hätte in Anspruch nehmen können, die (auch) eine Wirksamkeit gegen Infektionen mit dem betreffenden Krankheitserreger hat. Ausreichend für die Vermeidbarkeit ist die Möglichkeit, dass die Impfung eine Infektion verhindert. Diese Voraussetzung war bei der COVID-19-Impfung nach den Feststellungen des VGH zur Wirksamkeit der Impfung im Oktober 2021 erfüllt. Die Inanspruchnahme der Impfung war für den Kläger auch möglich.
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